Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
Riedweible, dann soll unser schwarzer Pfarrer einen Exorzismus beten, häää?«
»Die Russenmafia hat kein Einsehen, die hat kein Einsehen nicht.«
»Jetzt muss wieder die Mafia herhalten, was wollen die in unserem 800-Seelen-Kaff?«
»He, sag nicht Kaff, so klein ist Riedhagen auch nicht und das Bier aus der Gegend hier kennt man im ganzen Kreis.«
»Ha! Im ganzen Ländle!«
»Awa, in ganz Deutschland!«
»Es gibt viel mehr zwischen Himmel und Erde.«
»Das Ried hat schon viele geschluckt.«
»Ein Russ, zwei Messer!«
Der Stammtisch im Goldenen Ochsen bot den Riedhagenern in einem geschützten Raum die Gelegenheit, das Geschehen nach etlichen Bieren oder Weinschorlen kreativ zu verbrämen und stammtischpsychologisch aufzuarbeiten. Die Gespräche drehten sich, ebenso wie an den Zäunen und den öffentlichen Winkeln nur noch um das eine Thema: das Verbrechen.
»Und ich sag dir, das war der Bruder, jede Wette. Schau dir den mal an! Und warum ist der auf einmal verschwunden? Spurlos!«
»Quatsch, warum soll jemand seine Schwester umbringen? Das war die internationale Russenmafia, da gehts um Drogen und Frauenhandel.«
»Doch nicht bei uns, da steckt ganz was anderes dahinter, da ist was Unheimliches. Im Ried geht ja auch eine um, das Riedweible.«
»Dir kann man auch alles erzählen! Du glaubst bestimmt auch noch daran, dass die Amis auf dem Mond waren, ha ha!«
»Waren die nicht?«
Immer öfters hörte man im Zusammenhang mit dem Mord das Wort Riedweible am Stammtisch des Goldenen Ochsen. Die Polizei kam mit ihren Ermittlungen nur unwesentlich weiter. Aber die Menschen im Ried wollten, dass man einen Schuldigen fand oder jemanden, dem man die Schuld zuschieben konnte. Hier bot sich das Riedweible bestens an – ein Sündenbock, der recht belastbar schien. Anfangs wurde das Tabuwort nicht ausgesprochen, dann geflüstert, und mittlerweile ohne Scham, auch am heutigen Abend, laut ausgesprochen.
»Das hängt alles mit dem Riedweible zusammen. Warum taucht die jetzt erst auf?«
»Unsinn, Herrgott noch mal, wir sind aufgeklärte Leute. Es gibt kein Riedweible!«
»Da geht eine im Ried um«, bemerkte Bauer Maier trocken. »Die Frau vom Karren-Sepp hat sie beim Joggen gesehen.«
»Die sollte gescheiter weniger essen, die mit ihrem fetten Fidle!«
»Quatsch! Da geht niemand um, das ist eure Fantasie.«
Etliche der Stammtischler nickten, andere schüttelten die Köpfe.
»Und wenn ich sag, die gibts, dann gibts die auch. Man hat sie ja schon gesehen. Schon oft!«
Zur Bestätigung holte Maier eine blaue Schnupftabakdose mit der Aufschrift Gletscherprise aus der Innentasche seines blauen Stallkittels und sog sich mit beachtlichem Schnorchelgeräusch aus dem Grübchen unterhalb seines rechten Daumens eine gehörige Prise des gemahlenen Tabaks bis zum Stammhirn ein.
»Der Riedbauer hat gesagt, er hätte von der Brunhilde vom Wiesen-Hof gehört, sie hätte eindeutig im Ried eine gesehen, mit weißem Kleid.«
»So ein dummes Bauerngeschwätz. Aberglaube, das ist nichts als Aberglaube.«
»Das ist nicht nur Aberglaube, jeder weiß, dass sich früher der Schwaaze Vere mit seiner Bande im Ried versteckt hat.«
»Wer?«, fragte der zugezogene Lindemann.
»Den kennt ihr Zugezogenen natürlich nicht, den Schwaazen Vere. Eigentlich hieß er Franz Xaver Hohenleiter und er war Anführer einer Räuberbande.«
»Wann war das? Und was hat das mit der Frau im Ried zu tun?«
»So Achtzehnhundertirgendwas. Und wenn von denen jemand im Ried umgeht, das würde mich nicht wundern, das war ein Gesindel, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Die haben gemordet und geraubt. Da ist die heutige Jugend ein Dreck dagegen.«
»Ich finde die heutige Jugend gar nicht so schlimm.«
»Das meine ich doch.«
»Und warum soll von denen jemand umgehen? Und dann noch in Frauenkleidern? War der Herr Vere vielleicht vom anderen Ufer?«
»Oh, du Simpel, du hast von Geschichte doch keine Ahnung. Das ging schon damals nicht mit rechten Dingen zu. Als man ihn gefangen und in Biberach eingelocht hatte …«
Um die Dramatik seiner Erzählung zu steigern, nahm er einen kräftigen Schluck Bier.
»… da hat ihn im Gefängnisturm der Blitz erschlagen. Er soll regelrecht mit der Kette, die ihn gefesselt hat, verschweißt gewesen sein. Da gibt es sogar ein Lied davon, von Grachmusikoff, das geht ungefähr so: Dr Schwaaz Vere war em Oberland om 1800 rom als Raiber wohl bekannt. So fängt es auf jeden Fall mal an, dann kenn ich
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