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Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Riedripp: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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auch umsonst. War in dem Passat, dem Unfall-Passat.«
    Herrmanns Gesicht wurde plötzlich sehr ernst. Er deutete mit seinem Zeigefinger, der dicker als mein Oberschenkel, aber wesentlich öliger war, auf eine runde silberne Plakette am bescheidenen Instrumentenbrett des antiken, landwirtschaftlichen Fahrzeuges.
    »Ein Christoferross …«
    Ich schaute ihn fragend an.
    »Ein Christoferross, ein heiliger Christoferross. Wenn du den drin hast, passiert dir nichts.«
    Ich musste wohl ein bisschen gegrinst haben. Ein kräftiger Schlag traf mich unverhofft in der Schultergegend.
    »He, du Seckel, du bist doch der feine Herr Theologe und hast in Tübingen studiert und trotzdem null Ahnung von Heiligen. Komm mit, ich zeig dir was! Da wirst sogar du staunen.«
    Er deutete auf drei Unfallwagen, einen völlig demolierten Renault Laguna, einen Opel Corsa, dessen komplettes Verdeck und die ganze Vorderfront fehlten, und ein Mercedes-Cabrio, dessen eingedrücktes Dach von einem heftigen Überschlag zeugte.
    »Der, der und der, da hats Tote gegeben. Und jetzt rate mal!«
    Fragend schaute er mich an, ich schob zweimal ruckartig meine Schultern in Richtung Ohren, es schien jedoch nicht die Antwort zu sein, die Herrmann erwartet hatte.
    »Du Seckel, begreifst du denn gar nichts? Typisch Studierte. Da waren keine Christoferrosse drin. Und dort«, er deutete auf den grünen Passat, »dort war einer drin. Und jetzt rate mal!«
    Herrmann schlug sich mit der schwarzen Pranke dreimal gegen seine stabile Stirn und schaute mich fragend an.
    Ich antwortete keck:
    »Da drin sind alle gestorben, eine ganze Familie … vielleicht ein ganzer Clan?«
    »Du Seckel, genau in dem Karren ist eben keiner gestorben, da war nämlich der Christoferross drin. Studiert und doch bloß Scheiße im Hirn. Mit so was macht man keinen Spaß. Komm, ich zeig dir noch was.«
    »Mann, Herrmann, das ist doch purer Aberglaube.«
    »Von wegen Aberglaube, du hast keine Ahnung, Herr Theologe. Immer nur rumstudiert, viele Scheiß-Fremdwörter, so wie Dizöse und Trinität und Ökomene und Scheißdreck, aber keine Ahnung von der Volksreligion.«
    Staunend lief ich hinter dem schimpfend-philosophierenden Herrmann her.
    Er schleppte mich zu seinem Privatwagen, einem metallicgrünen Opel Ascona, und öffnete die Tür.
    »Da, schaus dir genau an, Herr Religionslehrer! Und meinst du, mir ist schon mal was passiert? Und ich fahr nicht so wie du mit deiner Scheiß-Harley immer nur Standgas, ich lass es schon rauchen. Den hab ich auf 170 PS getunt, echte 170 Pferdchen! Und meinst du, mir ist schon mal was passiert? Das hat mit Aberglaube bestimmt nichts zu tun, Herr Theologe, wenn gerade mir nichts passiert. Das ist nicht nur Zufall, dass ich noch nie einen Unfall hatte. Das hat schon einen Grund. Alles hat einen Grund.«
    Mit seinen schmutzigen Pranken fuchtelnd zeigte er mir das Innerste seines grünen Heiligtums. Den Grund!
    Andächtig staunend betrachtete ich eine bemerkenswerte Sammlung von Christophorus-Plaketten, die den Schutzpatron der Raser und Huper in seiner typischen Pose zeigten. Der heilige Mann durchquerte, auf einen Stab gestützt, ein Gewässer. Auf den Schultern trug er das Jesuskind. Bestimmt 20 Silberplaketten, von zweieuroklein bis vesperbrettgroß, schmückten den Innenraum von Herrmanns Privatwagen und erstreckten sich vom Plastikarmaturenbrett bis zum mit rosa Plüsch überzogenen Handschuhfach.
    »Nein, das ist wirklich kein Aberglaube, das ist Fetisch.«
    »Häää? Also siehst du es doch ein?«
    »Warum hast du das Handschuhfach mit dem rosa Fummel überzogen?«
    »Das wollte Susi so.«
    Ich kannte Susi, es passte zu ihr.
     
    Und nun fuhr ich das erste Mal mit meinem Winterfahrzeug in die stolze Badstadt Saulgau, um meinen Beruf redlich auszuüben. Es ging alles gut, besser als ich dachte, ich hatte ja Christoferross. Die Kabine des Gefährts bot leidlich Schutz gegen Regen und die Heizung, ein umgebauter Gebläseradiator, wedelte mir etwas warme Luft um die Beine. Trotzdem war es eine Freude, mit dem knallenden Motor durch das neblige Ried zu jagen.
    Die Geschwindigkeit meines Neuerwerbs hatte ich leicht überschätzt, ich war zehn Minuten zu spät an der Schule. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich zur Erprobung der Kurventauglichkeit meines Neuerwerbes einen kleinen Umweg in das Herz der ehemaligen Kreisstadt machte und noch drei kühne Runden im gefühlten kleinsten Kreisverkehr der Welt drehte, dem Saulgauer Paradies-Kreisel. Weitere drei

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