Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
wir versuchten, durch den Nebel den Ausgang aus dem Ried zu finden, bemerkten wir, dass die circa 2.600 Hektar des schwammigen Areals bei Nebel gefühlten 100.000 Hektar entsprachen. Genau eine Stunde später, gefühlte zehn Stunden, kamen wir am nördlichen, fast nebelfreien Rand des Riedgebietes aus dem Wald heraus. Eine weitere Viertelstunde später, die einer gefühlten Viertelstunde entsprach, saßen wir in der Wärme des Bad Saulgauer Bohnenstengels bei einem wohlverdienten Guinness. Als Aperitif genehmigte ich mir nach dieser Horrorfahrt einen Royal Lochnagar, einen zwölf Jahre alten Highland Single Malt, der mit dem Wasser des River Dee gebraut wurde. Christof holte ihn mir vom gut sortierten Regal über dem Tresen. Dort, wo auch die herrlichen alten Emaille-Reklametafeln hingen. Christof jammerte ein bisschen:
»Niemand mehr trinkt Whisky.«
Voller Wehmut, ganz zart, mit nahezu liturgischer Andacht servierte er das bernsteinfarbene Getränk in einem stilechten Whiskyglas.
Die wartenden MIKEBOSSler waren an unseren Neuigkeiten aus dem Ried brennend interessiert.
»War sie gut gebaut?«
»Blond?«
»Hübsch?«
»Was hatte sie an?«
»Vielleicht war es ein Geist.«
»Ja, bestimmt, meine Oma hat immer schon gesagt, da geht eine um, das Riedweible.«
»Redet doch kein so einen Mist, gehts bei euch? Wenn ihr das Wort Frau hört, gibts eigentlich nur Haarfarbe und Körbchengröße? Für mich stellt sich die Frage, was macht die Frau da im Ried? Und warum hat sie uns beobachtet? Und was hat sie uns zugerufen?«
»Es hat sich angehört wie Ipp, Wipp oder Ripp.«
Cäci schaute fragend in die Männerrunde. Alle zuckten mit den Schultern.
Butzi wagte einen Versuch der Erklärung:
»Das war bestimmt Ripp, vielleicht hat sie mit Ripp dich gemeint, oder ihr habt es falsch verstanden. Vielleicht wollte sie euch nur erschrecken mit einem Kampfruf und euch vertreiben.«
»Was soll das bedeuten? Ripp«, fragte Gesicht, dessen sprachliche Wurzeln nicht im Oberschwäbischen lagen.
Mit einem vagen, leicht unsicheren Seitenblick zu Cäci versuchte ich zu erklären:
»Ähmm, Ripp sagt man auch zu einer, ähmm, bösen Frau, speziell hier im Schwäbischen, weil nach einem der Schöpfungsberichte im Genesistext Gott die Frau aus der Rippe Adams erschaffen hat.«
Ich hatte es befürchtet.
»Sooo ein Schwachsinn, wir Frauen sind quasi ein Abfallprodukt von euch Männern, das ist ja wohl sonnenklar, dass dieser Schöpfungsbericht von einem Mann verfasst wurde. Kein Wunder, gibts in der katholischen Kirche nur Männer in führenden Positionen.«
Flaschen-Gordon, der wie immer sein Bier aus der Flasche trank, unterbrach die radikalfeministischen Ausbrüche Cäcis und meinte:
»Das ist ja voll witzig, Frauen aus einer Rippe, kein Wunder sind das Mängelwesen …«
Cäci fauchte:
»Du Trottel, ihr seid Mängelwesen! Euch fehlt doch etwas, aber wie mir scheint, hat der Genesistext einen Übersetzungsfehler. Da müsste nämlich stehen, dass dem Mann der Verstand entnommen wurde, um die Frau damit zu machen. Der fehlt euch nämlich!«
Joe, der sich bis jetzt aus der Diskussion herausgehalten hatte, argumentierte mit ernstem Gesicht:
»Ich kann mir das sowieso nicht richtig vorstellen, dann müsste Gott ja ein Arzt gewesen sein, so eine Art Chirurg, wenn das mit der Rippe wirklich stimmt. Oder vielleicht sogar bloß Metzger. Dann hätte er ja das Know-how, wie man eine Rippe herausschneidet und daraus wieder etwas macht. Aber wo hat er dann das restliche Fleisch her, äääh, und ein frisches Paar Augen. Also, ich denke, so kanns auch nicht gewesen sein.«
Cäci grinste hämisch in Joes Richtung, dem deutlich anzumerken war, dass seine Argumentation ihn geistig erschöpft hatte.
»Gratulation, du solltest ein Buch schreiben: Gott und das Geheimnis der fehlenden Rippe. Mann, das ist doch nur eine Metapher.«
»Häää?«
»Ein Bild. Wenn du sagst, ähm, Butzi fährt wie eine Sau, bedeutet das ja auch nicht, dass eine reale Sau mit seinem Moped herumfährt.«
»Doch, bei dem schon.«
Das Gelächter wich bald wieder einer nachdenklichen Stimmung.
»Und die Tote ist tatsächlich deine Schülerin?«
»Ja, die Polizei war heute schon in der Schule.«
»Und, gibt es schon einen Verdacht?«
»Sieht nicht so aus. Der Tobi, der Sohn vom Bauer Fränkel, der hat wohl was mit der Alexandra gehabt.«
»Woher weißt du das?«
»Mein Rektor ist ein kleines Plaudertäschchen.«
»Meinst du, der Fränkel hat was damit zu
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