Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
Teufelsanbeter haben auch so komische Symbole.«
Erstaunt hob ich die Augenbrauen, das waren die Früchte meines Unterrichts.
»Keine schlechte Idee«, nickte ich anerkennend in die eifrigen Gesichter.
»Können wir mal eine Bibelstelle lesen, in der es um Trinität geht? Vielleicht bringt es uns weiter?«
»Das ist nicht ganz so einfach, denn die Trinität ist eine spätere Erfindung. Sie bezeichnet bei den Christen die Einheit der drei Personen in Gott, nämlich den Vater, seinen Sohn Jesus und den Heiligen Geist. So wie ein Harley-Motor auch aus drei wichtigen Komponenten besteht, die einzeln für sich nicht funktionieren würden, nämlich …«
»Herr Bönle, kann es sein, dass Tobi und sein Vater in der Sache mit drinhängen?«
Ich zuckte mit beiden Schultern.
»Und noch eine dritte Macht, so wie der Heilige Geist.«
»Ja, das Riedweible zum Beispiel, da geht nämlich seit dem Mord eine um. Viele haben sie schon gesehen. Sie haben das Riedweible doch auch gesehen, und Ihre Frau.«
»Das ist nicht meine Frau, das ist meine Freundin, ähm, Partnerin.«
»Dürfen Sie die eigentlich poppen, wenn Sie als Relilehrer gar nicht verheiratet sind?«, fragte Vicky mit keckem Augenaufschlag.
»Leute, das geht euch einen Scheiß an.«
»Was sagt denn der Papst dazu? Meine Mama sagt, da wären Sie ruckzuck Exkommunist.«
»Exkommuniziert. Und der Papst, der ist in Rom und nicht in Riedhagen. Und der hat unter meiner Bettdecke nichts zu suchen.«
»Aber das Riedweible, haben Sie es wirklich gesehen? Stimmt es, dass sie hell leuchtet und übers Moor laufen kann ohne einzusinken?«
Ich schüttelte langsam meinen Kopf und presste Ober- und Unterlippe zusammen.
»Stimmt es, dass die Riedfrau wie die Gottesmutter Maria aussieht?«
Ich öffnete meinen Mund:
»Wer erzählt denn so einen abergläubischen Mist?«
»Alle! Und man sagt auch, dass es vielleicht die Frau vom Schwaaz Vere ist, die da umgeht.«
Die Klasse nickte wissend.
Ich blickte ungläubig über die Köpfe:
»Jetzt reichts. Hatte ich euch nicht schon in der Unterrichtseinheit Okkultismus erklärt, dass es weder Geister noch Gespenster noch Riedweible gibt. Für alles gibt es eine rationale Erklärung.«
Alisa meldete sich:
»Wollen Sie nicht mal bei Tobi vorbeischauen? Ich habe ein mulmiges Gefühl.«
»Gute Idee. Aber bitte, Leute, bleiben wir doch mal fünf Minuten beim Thema.«
Angestrengt versuchte ich, den Bogen zurück zum informativen, schülerzentrierten, beziehungsherstellenden, handlungsorientierten, kreativen, lebensnahen, kompetenzorientierten, fächerverbindenden, die-Schüler-dort-wo-sie-stehen-abholenden Unterricht zu bekommen:
»Ich hatte euch gesagt, dass das mit der Trinität ist wie mit einem Maulwurf, der gerade …«
Im Lautsprecher der Sprechanlage fing es an zu knacksen. Ein untrügliches Zeichen für eine weitere, schülerwillkommene Unterbrechung des Unterrichts.
»Achtung, eine Durchsage. Herr Bönle, bitte kommen Sie umgehend ins Rektorat. Ich wiederhole: Herr Bönle, bitte umgehend ins Rektorat!«
»Buuuuh!«, grölte die Klasse.
»Jetzt, wo es mal richtig spannend war.«
Ich packte meinen Rucksack und begab mich ins Allerheiligste.
Rektor Saitling thronte in seinem Ledersessel, eine elegante Handbewegung, die die Anmut seiner roten Fliege unmerklich überbot, beförderte mich auf den harten Schülerholzstuhl vor seinem mächtigen Schreibtisch.
Mit leicht geneigtem Kopf, die suppentellergroßen Hände vor der Brust verschränkt, sodass der Siegelring mit seinem Familienwappen schön zur Geltung kam, schwieg er mich an. Ich schwieg zurück.
»Haben Sie mir nichts zu sagen?«, unterbrach der Rektor das verdichtete Schweigen, das bleiern im Zimmer hing.
»Nein.«
»Fällt Ihnen etwas zum Stichwort Parkplatz ein?«
»Ja, Autos, Einkaufen, rückwärts einparken, vorwärts …«
»Hören Sie auf, Bönle, das ist kein Religionsunterricht-Brainstorming, Sie wissen genau, was ich meine! Frau Hämmerle-Dufoise, eine geschätzte und erfahrene Kollegin von der Wirtschaftsschule, hat sich bitterst über Sie beschwert. So eine Unverschämtheit sei ihr in ihrem ganzen Lehrerleben noch nie vorgekommen. Sagen Sie doch was!«
»Was für eine Unverschämtheit?«
»Böööönle, mit dem Traktor auf einen Behindertenparkplatz und dann noch der Kollegin weismachen wollen, dass Sie einen Behindertenausweis besitzen. Sie hat natürlich gleich bei mir nachgefragt, unter welcher, aah, Behinderung Sie leiden würden, und sie
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