Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
nachzubereiten, die Zeit, Klassenarbeiten zu korrigieren, und vorzubereiten.«
»Danke für die Info, Herr Saitling, da geh ich mit der Klasse hin.«
»Halt, bleiben Sie noch, Bönle.«
Aus seinem Schreibtisch holte mein Rektor ein kleines Tablettenfläschchen aus Glas. Wissend, zart nickend stand er auf. Lief zur Wand. An der Wand hing ein kleines Kruzifix, als Fußbad für den Gekreuzigten diente ein kleines Weihwasserschälchen aus einer Glasmuschel. Vorsichtig nahm mein Vorgesetzter mit fleischwurstgroßen Fingern das Muschelschälchen aus der ovalen Metallhalterung und goss noch vorsichtiger das geweihte Wasser in das Glasfläschchen.
»Ihnen kann ich das ja mitgeben, Sie sind Religionslehrer. Ihre Kollegen, vor allem die Deutschkollegen, aah, Sie wissen schon, nur Brecht und Tucholsky, die würden das als Aberglaube abtun. Leeren Sie das über das Kreuz, dort, wo das arme Mädchen lag. Sprechen Sie ein kleines Gebet.«
Ich musste kräftig schlucken. Mein Vorgesetzter war mir auf einen Schlag viel sympathischer.
Mit einer wohlwollenden, fließend eleganten Handbewegung entfernte er mich aus seinem hoheitlichen Bereich.
Die neuesten Ermittlungsinformationen durch den Rektor, gekoppelt mit dem Tratsch aus dem Ochsen ergaben ein recht präzises Bild des polizeilichen Ermittlungsstandes. Gestärkt trat ich den Rückweg ins Klassenzimmer an. Die zu Belehrenden waren jedoch nicht mehr anwesend, sie hatten autark gehandelt und die Pause nach vorn verlängert.
14 Rosenkranz
Das Buch der Weisheit
2:6 Auf, lasst uns die Güter des Lebens genießen und die Schöpfung auskosten, wie es der Jugend zusteht.
2:7 Erlesener Wein und Salböl sollen uns reichlich fließen, keine Blume des Frühlings darf uns entgehen.
2:8 Bekränzen wir uns mit Rosen, ehe sie verwelken.
Der rot-gelbe Porsche-Traktor beförderte mich lärmend und rauchend wieder zurück bis nach Riedhagen. Immer wieder wurde ich von Mountainbike und Rennrad fahrenden Tagdieben überholt. Nicht dass es mich gekränkt hätte, aber warum fährt man mit dem Rad durchs Ried?
Während der Fahrt mit meditativem Tempo machte ich mir Parkplatz-Gedanken. Und schon bald hatte ich die zündende Idee. Christof, der im Bad Saulgauer Bohnenstengel abends bediente, arbeitete auf dem Landratsamt. Und ich würde den umgekehrten Weg gehen, den Weg, den niemand erwartete. Ich würde versuchen, meinen Porsche-Diesel als motorisierten Rollstuhl anzumelden. Da wäre bestimmt auch einiges an Versicherung und Steuer zu sparen. Und mit einem Rollstuhl könnte mir auch eine Frau Hämmerle-Dufoise nicht verbieten, auf einem Behindertenparkplatz zu parken. Die Idee war so heiß, dass ich auf der langen Riedallee bei der zerfallenen Kapelle anhielt und nach meinem alten Handy kramte.
Christof, ein kreativer Beamter unseres Landes, war sofort Feuer und Flamme, diese bürokratische Herausforderung zu bewältigen.
Das Blaupunkt-Traktor-Radio sang mir während der gemütlichen Weiterfahrt viele Lieder vor. Gerade spielte es über die altersschwachen, voll aufgedrehten Lautsprecher, die links und rechts an den ausladenden Hinterradkotflügeln befestigt waren, Bruce Springsteen, den alten Sack:
She went away, she cut me like a knife
Hello beautiful thing, maybe you could save my
life
In just a glance, down here on magic street
Loves a fool’s dance
And I ain’t got much sense, but I still got my feet
The girls in their summer clothes
In the cool of the evening light
The girls in their summer clothes,
Pass me by.
Mein Gehirn lieferte im Takt des Diesel-Einzylinders eine spontane Melange von Interpretation und Übersetzung:
Ja, ja mal wieder eine, die abgehauen ist und den einfältigen Mann, den hats getroffen, als ob ihm jemand mit dem Messer die Rippen gekitzelt hätte. Hallo, du wunderbares Wesen, vielleicht könntest du mein Leben retten? Aber doch nicht mit dem Messer. Nur mit einem Blick, hier in dieser Schein- und Scheißwelt. Die Liebe ist ein Narrentanz, eigentlich ein Veitstanz. Mit dem Messer in die Rippen. Das Ripp aus der Rippe sticht die Rippe des Rippenspenders. Liebe muss wehtun? Und ich hab nicht viel Verstand, wie alle Männer … aber ich hab immer noch meine Füße. Und in der kühlen Abenddämmerung gehen die Mädchen in ihren Sommerkleidern …
Immer wieder Lieder, die mir etwas sagen wollten. Mit der schönen Sommermelodie im Kopf und der absonderlichen Interpretation donnerte ich in den herbstlichen Hof der Fränkels.
Gerade noch sah
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