Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
zusammentreffe.«
Sie nickte kühl in meine Richtung. Minus 18 Grad, gefühlte minus 25 Grad wegen des Gegenwindes. Das saß mal wieder. Ich tat, als hätte ich nichts gehört.
»Können Sie die Frau beschreiben?«
Wir gaben eine vage Beschreibung ab und das Verhör ging noch über eine Stunde weiter. Sie fragte jeden nur erdenklichen Unsinn und krönte abschließend:
»Herr Bönle, sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der realen Frau, die Sie gesehen haben, und diesen Spukerscheinungen mit Schmierentheatercharakter?«
»Ja, ich denke, hier manifestiert sich der spießbürgerliche Wunsch, einen Schuldigen oder eine Schuldige zu finden, in einer kumulativen Massenhysterie, deren Ausformung dieses Riedweib ist. Also, das Riedweib ist für mich zunächst mal Fiktion, aber der Wunsch, nicht nur einen virtuellen Schuldigen zu haben, ist für manche Zeitgenossen so stark, diese Figur quasi als Sündenbock zu erfinden. Nicht, dass der Schuldige schon wieder aus der Gemeinde kommt, das darf nicht noch einmal sein. Die Schuld des Dorfes wird auf einen Sündenbock abgeladen.«
»Interessante Theorie, Sie können ja reden. Das erklärt aber noch lange nicht, warum Leute schildern, sie würden Tag und Nacht schauerliche Schreie aus dem Ried hören.«
»Davon haben wir auch schon gehört. Vielleicht sind das Tiere?«
»Was halten Sie von dem Geschwätz der Leute, hinter dieser Spukgestalt könnten auch die Medien stecken, um in den Ferien die Leserquoten und Zuschauerzahlen zu steigern?«
Auf diese Idee war ich noch gar nicht gekommen und sinnierte, doch Cäci kam mir zuvor:
»Das ist aber mal eine interessante Idee, den gleichen Verdacht hatte ich schon beim ersten Auftauchen der Erscheinung in Mamas Wiese. Ich denke schon, dass man in diese Richtung ebenfalls ermitteln muss. Der Spuk muss mal ein Ende haben, die Pressefritzen und Schaulustigen zertrampeln Mama die ganze Wiese.«
»Na ja, das kommt ja locker wieder rein! Herr Bönle, was halten Sie von einem ganz anderen Geschwätz, nämlich, dass Sie hinter dem ganzen Riedweibfirlefanz stecken?«
Mit ihrem rot gekrönten Zeigefinger zielte sie auf mich.
»Gar nichts!«
»Das habe ich mir gedacht. Übrigens, wissen Sie, wo sich Frau Knaus zurzeit aufhält? Ich müsste sie auch noch etwas fragen und kann sie schon seit Tagen nicht erreichen.«
Cäci grübelte:
»Hilde? Stimmt, die habe ich am Wochenende gar nicht gesehen. Vermutlich ist sie wieder in die Berge, wandern. Oder sie hat noch irgendwohin einen Billigflieger bekommen?«
»Wer versorgt ihre Lamas?«
»Das hat schon immer der Maier, der Bauer gemacht.«
»Na ja, vielleicht weiß der etwas. Da schau ich nachher noch vorbei. So, Herr Bönle, dann lasse ich Sie samt Lebenspartnerin in Ihrer bierseligen Riedidylle wieder allein.«
Die elegante Kommissarin machte eine noch elegantere Bewegung mit ihrer schönen Hand, indem sie einen sanft ansteigenden Bogen von der linken Brust weit über die rechte Schulter hinaus in den Raum hinein beschrieb. Sie blinzelte mir aus nutellabraunen Augen zu.
Ich blinzelte mit grauen Augen zurück. Abschließend zweimal mit dem rechten Auge. Die Strafe traf mich doppelzüngig. Gleichzeitig hörte ich ein vorwurfsvolles Daniiiii und ein gemurmeltes Dorfdepp. Ich freute mich. Zu früh! Sie griff nach ihrem elektronischen Gedächtnis, tippte mit dem Zahnstocher Klopfzeichen auf das berührungssensible Display und bemerkte:
»Ach ja, noch eine Frage: Wissen Sie irgendetwas über eine Asiatin, die hier vielleicht einmal aufgetaucht ist? Das kann auch schon länger her sein, ein paar Jahre! Der erste augenscheinliche Verdacht wurde durch den Gerichtsmediziner bestätigt, es ist ein asiatischer Schädel, weiblich!«
»Der Schädel? Ist das der Schädel einer Asiatin? Nein, da fällt mir nichts ein. Hier haben, so weit ich mich erinnern kann, nie Asiaten gewohnt. Die waren eher um Sigmaringen herum angesiedelt. Dort kamen vor ungefähr 30 Jahren die Vietnamesen an, die Boatpeople. In Laiz im ›Gelben Haus‹, so nannte man das Übergangswohnheim, hat man die damals untergebracht. Also, in der Gegend wohnen noch viele von denen. Recherchieren Sie mal, ob dort jemand vermisst wird, der für Ihr errechnetes Zeitfenster in Frage kommt.«
»Ich weiß schon, was ich zu tun habe, Herr Bönle! Woher wissen Sie darüber so gut Bescheid?«
»Ich habe Biker-Freunde dort.«
Die schöne Neugierige nickte wohlwollend und wollte gerade endgültig den Raum verlassen, doch in diesem
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