Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
Leiche da liegen, mit dieser tiefen Wunde in der Seite. Es war schrecklich. Vermutlich hatte sie wieder eine Rippe herausgeschnitten. Es war das gleiche Muster.«
Ann-Kathrin sammelte sich kurz und erzählte weiter:
»Ich habe mir solche Vorwürfe gemacht. Wenn ich da gewesen wäre, hätte ich es verhindern können.«
Ann-Kathrin schwieg. Langsam hob sich eine Hand.
»Wie war dann das mit der Frau Knaus?«
»Ja, das war der Freitag. Das war euer letzter Schultag, ihr ward im Ried bei Alexandras Kreuz. Ich habe euch gesehen und bin dann geflüchtet, nach Wilhelmsdorf. Ich hatte jemanden aus der Suchtklinik kennengelernt, bei dem ich übernachten konnte. Und so bekam ich an dem Tag nicht mit, was bei Fränkels geschah. Die Kommissarin meinte, meine Mutter hätte vermutet, es ginge mit der Untreue weiter. Weil nun die hübsche Lehrerin Eier und Pilze vom Hof holte, dachte sie, er hätte was mit ihr oder würde etwas mit ihr anfangen. Meine Mutter ist krank, die hat wie unter Zwang gehandelt …«
»Warum hat sie die Frau Knaus nicht umgebracht?«
»Das hat mir meine Mutter noch auf der Fahrt ins Präsidium erzählt. Die wollte wohl nachschauen, ob sie bei der Entführung der Lehrerin Spuren hinterlassen hat. Dabei hat sie wohl einen Brief entdeckt. Den Brief hatte die Lehrerin an ihren Ex-Freund verfasst und darin hatte sie sich anscheinend auch über meinen Vater beklagt, der sie wohl angemacht hatte. Sie hatte sich so deutlich über das Verhalten meines Vaters beschwert, dass selbst meiner krankhaft eifersüchtigen Mutter klar war, dass die Lehrerin kein Interesse an ihrem Mann hatte. Da hat sie ihre Tat nicht vollendet und Frau Knaus im Gefängnis liegen lassen. Sie hatte mir auch noch erzählt, dass dort auch noch die anderen Knochen vom ersten Opfer liegen müssten.«
»Warum war der Schädel an einem anderen Ort?«
»Tiere, Füchse, Hunde, Krähen, was weiß ich, die schleppen das fort.«
»Wie war das mit dem Hasen, äh Kaninchen und dem Kreuz mit dem Unterhemd und den Schriftzeichen?«
»Da müsstet ihr eigentlich meine Mutter fragen. Ich erkläre mir das so, sie konnte nicht ertragen, dass Alexandra als Tote mehr Beachtung bekam als sie. Sie wusste ja von Tobi, dass ihr das Kreuz besucht. Meine Mutter hat dann einen Hasen vom Hof getötet …«
»Warum gerade ein Kaninchen, sie hätte doch auch irgendeine Farbe nehmen können?«
»Ja, oder einen Lippenstift«, ergänzte Vicky.
Ann-Kathrin überlegte kurz und antwortete:
»Das könnte euch vielleicht Herr Bönle besser erklären. Der Hase ist ja ein Fruchtbarkeitssymbol. Wir kennen ihn ja auch als Osterhasen und Ostern ist das Fest der Auferstehung. Vielleicht wollte sie so die Schuld von sich weglenken, sich ent-schuldigen, ihr sollte ja die Frucht, das Kind, genommen werden. Und trotzdem vielleicht die Hoffnung für Alexandra, dass sie auferstehen wird. Andererseits hat meine Mutter sie ja für schuldig empfunden. Sie hat ja nicht meinen Vater getötet, der es eher verdient hätte, sondern die Alexandra, weil sie sie für eine Verführerin hielt. Meine Mutter ist krank, sie ist krankhaft eifersüchtig.«
»Warum hat sie Ripp hingeschrieben?«
»Ripp, so wurde sie wohl selbst von ihm immer beschimpft.«
»Ja, aber warum hat sie ihren Opfern eine Rippe herausgeschnitten? Und wo sind die Rippen?«
»Ich denke, dass das Rippenherausschneiden eine Art Opferritual war … vielleicht sogar eine Art Entschuldigung. Meine Mutter kennt natürlich die Bibelstelle, wo Gott aus der Rippe des Mannes die Frau schafft, das Ripp. Vermutlich wollte sie in diesem grausamen, rituellen Akt die Erschaffung der Frau aus einer männlichen Rippe wieder rückgängig machen. Eine Frau darf nicht nur ein Restprodukt des Mannes sein. Wir Frauen sind mehr als das, was uns Jahrhunderte lang die Kirche lehren wollte, nämlich dem Mann untergeordnet, da wir aus dem überflüssigen Teil eines Mannes geschaffen wurden. Und als Metzgersfrau wusste sie natürlich um den Wert der Rippen, die früher sogar verschenkt wurden. Da ist ja kaum Fleisch drauf. Und wo die Rippen der Opfer geblieben sind, das weiß ich nicht. Ich möchte es auch nicht wissen.«
»Und das Unterhemd, warum hat sie das mitgenommen und an das Kreuz gehängt. Das passt doch alles gar nicht zusammen.«
»Meine Mutter handelte nicht rational. Sie wollte Alexandra nicht entblößen… vielleicht wollte sie das nicht sehen, was meinen Vater so aufgegeilt hat. Deshalb hat sie die Rippe durch das Unterhemd
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