Riemenschneider
flüsterte er. »Die Leute vom Bischof Georg haben ihn geschnappt.«
»Wieso treibt sich Thoma beim Palas des Bischofs rum? Er sollte den Kaufmann in der Herberge aufsuchen, den Zettel zeigen und ihn herbringen. So wie es verabredet war …« Mit einem wilden Schrei unterbrach sich der Ritter, bog den Rücken durch, fiel zurück und schlug neben seinem Kopf immer wieder die Faust auf den Tisch. »Verdammter Scharlatan! Du hättest Folterknecht werden sollen.«
Der Medicus überging das Fluchen und die Beleidigungen seines Patienten mit Gleichmut. »Nun ist mir eine Diagnose möglich.« Er stellte sich so, dass die Blicke sich begegnen konnten. »Wir haben es in Eurem Falle glücklicherweise mit einer blinden güldenen Ader zu tun.«
»Glücklich? Was ist daran glücklich, wenn mir der Arsch manchmal bei jedem Schritt so wehtut, dass mir schwindlig wird? Wenn ich beim Reiten auf einem glühenden Nagel sitz?«
»Die Hämorrhoides mag in der Tat ein schmerzhaftes Leiden sein, doch es besteht keine unmittelbare Gefahr für Euer Leben.«
»Wehe dir!«, blaffte ihn Götz an. »Da schießt einer mir die Hand ab, und ich überlebe, und jetzt soll ich am Arschjucken sterben.«
Der Medicus bewahrte Ruhe und dozierte weiter: »Die blinde güldene Ader sitzt nicht tief im Gedärm, treibt aber aus der Öffnung allerlei Geschwülste, in welchen das Blut stockt. Drei solcher Gewächse, das eine davon taubeneigroß, habe ich an Euerm Anus festgestellt.«
»Hör auf mit dem gelehrten Gerede. Schweig endlich und mach dich an die Arbeit!«
Ein kurzes Zögern, ein abwägender Blick. »Mit Verlaub, Herr. Bei Eurem Temperament benötige ich für den Einstich mit der Lanzette eine kräftige Hilfe. Erlaubt Eurem Knecht, dass er Euch festhält.«
Auf Anweisung des Arztes legte sich der Mann mit dem ganzen Gewicht quer über die auseinandergezogenen Oberschenkel und Kniekehlen seines Herrn. Ein Aufbrüllen, gefolgt von immer wieder neuen Verwünschungen, erst nach tiefem Schnaufen erkundigte sich Götz: »Was ist?«
»Leider hat das Anstechen nur mäßigen Erfolg gebracht. Das gestockte Blut ist schwarz, es fließt nicht mehr von selbst ab.«
»Bist du mit deinem Latein schon am Ende?«
Ohne dass der Ritter es sah, bückte sich der Medicus und nahm einen bauchigen Tonkrug aus seinem Lederkoffer, behutsam stellte er ihn auf dem Bestecktisch ab. »Habt Geduld, Herr. Meine hungrigen Hirudos werden Euch in jedem Fall Erleichterung verschaffen.«
»Von wem redest du?«
»Verzeih, ich habe zu viel vorausgesetzt. Ich werde Euch einige Egel ansetzen.«
»Wag es nicht!« Götz wollte herumfahren, weil aber sein Knecht immer noch die Beine niederhielt, vermochte er nur den Oberkörper zu drehen. »Diese schleimigen Blutsauger an meinem Arsch? Nachher kriechen sie ins Loch. Und dann? Die saufen mich doch von innen leer. Oder?«
Der Blick des Medicus sagte ihm, dass es keine andere Möglichkeit gab, von den Schmerzen befreit zu werden. »Schon gut, also Blutegel«, brummte er. »Schließlich bin ich keine feige Memme. Fang schon an!«
»Ruht noch eine Weile. Die Prozedur bedarf noch einiger Vorbereitung.«
Götz befahl seinen Diener wieder zu sich nach vorn: »Du hast ja gehört, es dauert noch, ehe mich die Würmer auslutschen werden, und schlechte Nachrichten ertrag ich sicher leichter. Was war in Bamberg?«
»Ganz schnell ist es gegangen, Herr …« Der Knecht zerrte an seinem ledernen Kragen. Er hatte sich mit Thoma in der Nähe des Goldenen Löwen getroffen und ihm gesagt, welches Stockwerk und welches Zimmer. Nicht lange nachdem der Knappe in der Herberge verschwunden war, umstellten Bewaffnete des Bischofs das Haus. »Sie haben Thoma in Ketten weggebracht. Und am Abend saß der Kölner Kaufmann mit dem Truppführer in der Schankstube. Gut gegessen haben die und viel gelacht. Ich … ich glaub, der Kölner hat unser Geschäft an den Bischof verraten.«
Götz stöhnte, weil ihm der Hintern mit einem Lappen gereinigt wurde, nach scharfem Ausatmen presste er die Lider zusammen. »Es gibt keine Ehre mehr. Weißt du das?« Die innere Erschütterung ließ ihn flüstern. »Wo findest du noch Treue? Dieser Alte hat mir in die Hand geschworen, gelobt hat er mir, sein gegebenes Wort zu halten.« Der Ritter öffnete die Augen, Bitternis stand in seinem Blick. »Vertraut habe ich ihm. O ja, meine guten Ratschläge nahm er gerne an, und dann betrügt er mich. Was für eine Welt, in der Anstand und Würde mit Füßen getreten werden?«
Kein Fluchen, kein
Weitere Kostenlose Bücher