Riemenschneider
weidlich auszunutzen, leert Theodosius den Becher, lässt sich nachschenken, trinkt, dann grinst er zufrieden. »Was soll’s denn sein?«
»Eine Fahne. Was nimmst du dafür, wenn du sie bemalst?«
»Kommt drauf an.« Wieder hebt Theodosius das Trinkgefäß an die Lippen.
»Ein Bundschuh muss drauf.«
Der Wein schwappt dem Maler übers Kinn, die Hand zittert stärker; bis er abgesetzt hat, ist die Hälfte des Rebensaftes verschüttet. Theodosius wagt nicht nach rechts und links zu sehen; aus Furcht, jemand könnte lauschen, versteckt er den Mund hinter vorgehaltener Hand. »Um nichts auf der Welt«, haspelt er. »Weder für Geld noch für Fässer voll Wein würd ich euch Verschwörern die Fahne malen. Geh weg, bitte. Geh!«
Das Blut ist Joß aus dem Gesicht gewichen. Unter dem Tisch greift er dem Maler zwischen die Beine und drückt zu. »Nichts hab ich zu dir gesagt. Und nichts hast du gehört.« Die Stimme bleibt sanft, doch härter wird der Griff. »Verstanden, mein Freund?«
Vor Schmerz vermag Theodosius nur zu nicken. »Und wenn du plauderst, nur ein einziges Wort, dann werd ich dich finden, egal, wo du dich versteckst.« Noch fester schließt Joß die Faust. »Als Erstes, du Kleckser, schneid ich dir den Pinsel ab. Dann setz ich dich mit dem Arsch auf einen gespitzten Zaunpfahl, da kannst du zappeln, bis du verreckst. Ist das klar?«
Die Augäpfel treten dem Gequälten vor. »Kein Wort …« Schweiß rinnt von der Stirn. »Bei Gott, ich schwör’s. Kein Wort.«
Joß erhebt sich, lächelt, während er dem Wirt die Zeche bezahlt, er grüßt mit weitem Hutschwung zu den übrigen Tischen und verlässt die Schenke.
»Die Fahne muss sein.« Eine Woche später steht der Hauptmann beim Hackholz hinter seinem Haus in Lehen, er sieht durch den Mitverschwörer hindurch, als reichte sein Blick in eine andere Welt. »Da, wo sie weht, ist unser Heil. In der Schlacht kämpfen wir für sie …«
»Tut mir leid, Joß.« Voller Unbehagen nestelt der Bauer am Kittelkragen. »Ich hab’s so gemacht, wie du’s mir gesagt hast. Aber …« Weil es für den Anführer in Freiburg selbst zu gefährlich war, sollte er in der Stadt zum Predigerplatz gehen und dort den Maler Friedrich aufsuchen. »Höflich gefragt habe ich ihn. Aber …« Kaum war das Wort Bundschuh gefallen, als der bärtige Künstler den Boten am Genick packte und ihn grob zur Tür stieß. »Verschwinde, du Bastard. Und wag dich nie wieder her.« Er schlug ihn mit dem Kopf gegen das Holzblatt. »Ich will mit dieser Teufelei nichts zu tun haben.« Er riss die Tür auf, sein heftiger Tritt in den Hintern ließ den Armen die Treppe hinunterfallen.
Der Bauer wagt nicht weiter zu berichten, doch die Not in ihm ist stärker: »Und nachgerufen hat der Friedrich mir, ich soll mich besser hüten vor den Rebellen. ›Sonst hängst du bald am Galgen‹, das hat er gerufen.« Ein ängstlicher Blick auf den Hauptmann. »Sie fangen mich doch nicht? Nur weil ich gefragt hab? Oder?«
Gleich erhellt Zuversicht und Kraft die Miene des Führers. »Im Bundschuh bist du sicher. Jeder Bruder steht unter unserm Schutz.« Ein Schulterschlag, eine innige Umarmung für den Verzagten. »Du hast gute Arbeit geleistet. Daran wird sich dein Hauptmann später erinnern, vertrau darauf. Und was die Fahne angeht. Die ist jetzt ganz allein meine Sache.«
Am Abend des 23. September nähern sich aus verschiedenen Richtungen die Unterführer der einsam gelegenen Pferdeweide. In der späten Dämmerung trifft auch der Hauptmann mit den engsten Mitstreitern ein. Das letzte Treffen vor dem Losschlagen. Alle Herzen sind im Gleichklang, die Ungeduld ist stärker als jeder Zweifel. Joß will nun die Glut entfachen. Sind auch alle Ziele genannt: »Erst nehmen wir Endingen, Burkheim und auch Breisach, dann geht’s gegen Freiburg …« Ist auch die Beute für den weiteren Kampf schon eingeplant: » … dort nehmen wir uns die Feldschlangen und Hakenbüchsen.« So soll jetzt der Allmächtige mit in den Bund: »Freunde, wir erstreben nur das, was in der Heiligen Schrift steht, wir handeln in Gottes Namen, und so ist es auch Recht und gerecht.«
Die Männer atmen schneller, wagen kein lautes Wort, denn jeder Jubel könnte den Jäger anlocken, wieder und wieder recken sie die Fäuste.
»Unsere Losung. Sie war damals in Untergrombach gut, sie soll uns auch jetzt nicht schade sein.« Joß winkt den Freund Hieronymus näher. Feierlich spricht er den Fragesatz: »Gott grüß dich, Gesell. Was hast du für ein Wesen?« Der
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