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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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alten Strauchdieb nicht schade, doch er steht jetzt an der Spitze des Bauernheeres und führt die Horden direkt auf uns zu.«
Fürstbischof Konrad ging langsam zum Fenster und blickte auf die Stadt hinunter. »O Würzburg, mein Würzburg«, flüsterte er, »du hast dein Glück verjagt. Was nun geschieht, darunter werden noch deine Kinder und Kindeskinder zu tragen haben. Und du allein musst dir die Schuld dafür geben.«
Er wandte sich dem Schreiber und den Vertrauten zu. »So sei es. Warten Wir nicht auf Unseren Untergang. Suchen Wir Schutz und Obdach bei Unserem lieben Freund, Pfalzgraf Ludwig in Heidelberg.«
Am späten Nachmittag des 5. Mai verließ der Hohe Herr, hoch zu Ross und gerüstet wie ein Ritter, in Begleitung seiner engsten Ratgeber den Marienberg.
Zurück blieben Dompropst Markgraf Friedrich von Brandenburg, als Statthalter und oberster Hauptmann, wie auch Hofmeister Sebastian Rotenhan, ihm war die Verteidigung des Schlosses anvertraut worden, und noch am selben Abend nahm er der vierhundert Mann starken Besatzung den Treueid ab. »Wir schwören …« Niemand durfte nunmehr den Berg verlassen. Es war bei Strafe verboten, mit Außenstehenden Gespräche zu führen oder ihnen gar Zeichen zu geben. » …Wir kämpfen bis zum Tod. Dies schwören wir bei Gott und den Heiligen.«
Jubel tobte im Saal des Franziskanerklosters, auf Anraten Bermeters entsandte der Vorsitzende des Parlaments Boten zum fränkischen Heer, Boten zum Hellen Haufen vom Odenwald und Neckartal. »Der Bischof ist geflohen! Kommt, kommt nach Würzburg! Bringt Sturmleitern und Geschütze mit. Der Pfaffenstuhl soll kippen.«
Am 6. Mai bei Sonnuntergang erreichte Ritter Florian Geyer mit seiner Schwarzen Schar und dem fränkischen Heer die kleine Stadt Heidingsfeld. Im Angesicht des Schlosses und der Stadt Würzburg ließ er eine Zeltstadt errichten. Götz von Berlichingen traf einen Tag später mit dem Hellen Haufen ein. Er befahl, das Lager bei Höchberg oberhalb Würzburgs aufzuschlagen.
»Kommt nach Würzburg …« Und mehr als zwanzigtausend durstige und beutehungrige Bauern waren gekommen.
Im Grafeneckart schwiegen die Ratsherren betroffen, schließlich sprach Bürgermeister Heyssner aus, was alle so in Furcht versetzt hatte: »Wer soll diese Bäuche füllen? Wer bewahrt uns vor Plünderung und Gier?« Und als wäre dies nicht schon genug, setzte er düster hinzu: »Freunde und Kollegen, denkt an Weinsberg, ihr wisst, was dort geschehen ist. Gott sei uns gnädig!«
Ein linder Maimorgen umarmte Wittenberg. Die Tür zur Druckerei am Rand des Marktplatzes klemmte leicht. Martin Luther drückte, ruckte, das Holzblatt schlug oben gegen die kleine Glocke, und ein widerwilliges Läuten tönte durch den Werkraum.
»Gott zum Gruße, Meister Joseph.«
Nur leicht hob der Drucker den Kopf vom Satzschiff, das linke Auge ließ er zugepresst, vor dem rechten klemmte, von einem Lederband gehalten, die Lupe; mit diesem Zyklopenblick sah er den Besucher an. »Einen Moment noch.« Dann wandte er sich erneut den Lettern zu.
Um ihn nicht zu stören, blieb Martin einige Schritte entfernt von der Presse stehen. Im Raum schwang weicher Geruch nach Leinöl und Ruß, legte sich nach wenigen Atemzügen auf die Zunge und schmeckte angenehm nach gutem Holz.
Warum schwieg der Meister? Er, der sonst gleich über den Inhalt eines Textes sprechen wollte, wissbegierige Fragen stellte?
Von dem nach vorn gebeugten Rücken ging Ablehnung aus, deutlich empfand Martin sie und spürte gleich wieder den Magen; die ganze Nacht über hatte er unter dem beklemmenden Druckschmerz gelitten, war häufig aufgestanden, um in kleinen Schlucken angewärmtes Wasser zu trinken.
»Was ist dir?«
»Ich verrichte meine Arbeit«, brummte Meister Joseph. »Ihr bringt mir Euer Manuskript. Ich drucke es.« Mit beinah zornigem Schwung schlang er die Schnur mehrmals um die fertig gesetzte Seite aus Bleilettern und steckte sie fest.
»Wenn dich etwas bedrückt, so sag es nur!«
»Dies ist die Druckerei von Lucas Cranach. Ich weiß nicht, ob es meinem Arbeitgeber gefallen wird, wenn ich seinen besten Freund verärgere. Zumal mir Euer Gesangbuch im letzten Jahr so sehr gefallen hat. Es war viel Arbeit, aber mit Freude ging sie leicht von der Hand.« Mit einer Messingschiene schob er den Titel und drei gesetzte Textseiten zu einem Viereck zusammen. »Diese Flugschrift hier war nur Mühe, nur Plackerei. So oft hab ich die Buchstaben verdrehen müssen, als wollten sie sich einfach nicht zu diesen

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