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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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als zwanzig Geschützen grellte auf, mit furchtbarem Knallen fuhr der Tod nieder, Eisensplitter zerfetzten die Angreifer. Verletzte tappten, krochen und taumelten in den tiefen Graben, für sie gab es kein Entrinnen mehr. Und immer aufs Neue feuerten die Geschützmeister von oben hinein.
Signale für den Rückzug; Signale zum Sammeln; und schon nach einer Stunde ertönten wieder die Trommelwirbel, wieder das Pfeifen. Den zweiten Ansturm versuchte die Burgbesatzung sofort mit Geschützfeuer abzuwehren. Doch Zorn und wilde Entschlossenheit trieben die Bauern vorwärts. Fackeln loderten, bald standen die Palisaden in Flammen, ihr Schein leckte hoch zum Schloss. Mutige durchquerten den tiefen Graben, sahen nicht die toten und verletzten Kameraden, einige schleuderten Eisenhaken über die Mauer und hangelten hinauf, andere lehnten Leitern an, kletterten. Da gossen die Verteidiger von oben kochende Jauche und brennendes Pech über sie, zertrümmerten mit Steinbrocken und Eisenstangen die Schädel.
Rückzug! Rückzug! Unter heftigem Beschuss der Hakenbüchsen zogen sich die Bauern bis in den Grund der Weingärten zurück. Entkräftet sanken viele zu Boden.
»Wir wagen es noch mal«, keuchten sie. Doch erst wieder zu Atem kommen, erst etwas ausruhen.
Im Rathaus stand Thoma vor dem Bett seines Ritters. »Es brennt dort oben.«
»Was sagst du da?« Götz erhob sich rasch und trat ans Fenster. Das Feuer loderte rings um den Frauenberg. »Nein, Junge. Das Haus steht nicht in Flammen. Das sind nur die Zäune. Ich hätte aber nie gedacht, dass sie es so weit schaffen.« Um genauer zu sehen, öffnete er den Flügel. »Aber verdammt will ich sein … Wenn die Palisaden nicht mehr hindern, dann sieht’s schlecht für die da oben aus.« Er wandte sich um: »Thoma, meine Hand und das Schwert! Ich muss Ordnung schaffen. Und zwar sofort. Verdammt, wird’s bald.«
In großen Schritten, mit wehendem Mantel und seine beiden engsten Diener an der Seite erreichte Ritter von Berlichingen über die Flöße das andere Mainufer und wenig später die erschöpften Rotten am Fuß der Weingärten. Thoma schwenkte die Fackel und rief gedämpft: »Hier steht euer Feldhauptmann Götz! Sagt es weiter. Alle Fähnleinführer zu ihm. Weitersagen!« Vom Schloss her bellte ein Schuss, dicht neben dem Ritter schlug die Kugel in den Boden.
»Fackel aus!« Mit ungeahnter Schnelligkeit hatte der Ritter dem Knappen das Licht entrissen und weit von sich geschleudert. »Verdammt, Kerl. Willst du uns umbringen? Das fehlte noch.« Er stellte sich breitbeinig hin und verlangte nun selbst mit halblauter Stimme: »Die Unterführer her zu mir.«
Abgekämpfte, verdreckte Männer scharten sich um ihn; ließ ein Windstoß die Flammen über ihnen hochlodern, so zeigten sich die blutenden Wunden in ihren Gesichtern, an den Armen.
»Männer, wie oft seid ihr angerannt?«
»Zweimal. Und wir sammeln uns bald zum dritten Sturm.«
»Verluste?«
»Sehr große. Viele Hundert Brüder sind im Graben gefallen.«
»Dacht ich mir.« Götz brummte vor sich hin, rieb die Stirn wie ein Feldhauptmann, der grübelt, er blickte hinauf zum Schloss, hinauf zu Mond und Sternen. »Männer, ihr seid tapfer gestürmt und habt denen da oben sicher viel Schaden zugefügt. Aber noch einen Anlauf? Davon rate ich ab.« Er hob die schwarze Eisenfaust. »Hört auf den Rat eines erfahrenen Ritters, der viele Schlachten siegreich geschlagen hat. Ehe ihr auf der Mauer seid, dämmert der Morgen. Und sobald es heller wird, schießen sie euch wie die Spatzen ab. Deshalb sage ich: kein dritter Versuch!«
Die Unterführer blickten sich an, allein schon der Gedanke, wählen zu können, ließ ihren Mut erlahmen. Nicht mehr hinauf müssen … Nicht erneut den Tod vor Augen haben … »Ist das ein Befehl?«
»Das Wort eines Feldhauptmanns ist immer ein Befehl.« Götz schlug sich hart auf den eisernen Unterarm, mit lautem Schnappen öffnete sich die geballte Faust. »Verstanden?«
Oben im Schloss stand der Kommandant am Fenster. »Sie müssen noch mal kommen. Ein Wahnsinn wäre es für sie, jetzt aufzuhören.« Sebastian Rotenhan hielt es nicht länger im gesicherten Raum. Er wollte hinaus, musste zu seinen Männern. »Nehmt Weinschläuche mit«, befahl er den Adjutanten. Auf seinem Rundgang durch die Wehranlagen und Türme ließ er den Posten je einen Becher reichen. »Trinkt nur, meine Söhne. Der Schluck wärmt das Blut schöner als die Flammen dort vorn.«
»Wir haben kaum noch Kugeln, Herr.« Der Wein wärmte

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