Riemenschneider
Ratssitzung ausgestreut?«
»Ich … ich habe sie nicht erfunden.« So vertrocknet waren Mund und Lippen, das Schlucken würgte ihn. Er hustete. »Ich hatte die Information von Hans Bermeter.«
»So ist Er also leichtgläubig wie ein Esel?«
»Nein, ganz gewiss nicht.« Til bemühte sich, klarer zu sprechen. »Alle Kollegen der Ratsversammlung waren in diesen Tagen der Meinung, dass der Spielmann besser informiert sei als selbst der Bürgermeister.« Fest wurde die Stimme, so hoffte er, die Herren überzeugen zu können. »Bitte bedenkt, Bermeter hatte immer schon gute Verbindungen zum Schloss. Er kannte geheime und undichte Stellen. Ich hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben.«
»Er enttäuscht uns. Wir hatten ein Geständnis erhofft. Fahren wir also fort, nach der Wahrheit zu suchen.« Der Henker erhielt Weisung: »Verschärfe die Anwendung.«
Wieder spannte sich das Seil, riss Til fort aus der Welt, zwischen zwei Höllen wurde sein Körper gespannt, dazu marterte der Henker mit einem kantigen Holz die Schienbeine und Ellbogen.
Die Frage. Und Til hauchte nur: »Ich habe … die Lüge nicht erfunden … habe sie von Bermeter …«
Während der dritten Qual enthob ihn ein Nebel, er entglitt dem Schmerz …
Sofort riss ihn sein Peiniger mit einem Schwall kalten Wassers in das Elend zurück. »Wirst du wohl wach bleiben!« Der Vorsitzende des Tribunals beugte sich über sein Gesicht. »Bleibt Er bei seiner Aussage?«
Unmerklich nur nickte Til.
»Wer war noch bei diesem Aufwiegler Bermeter? Weiß Er Namen?«
Til schloss die Augen. Er war im Wolfmannsziechlein, hatte den Brustpanzer angelegt, die Tür öffnete sich. Florian stand da: »Schwiegervater, wir haben eine wichtige Nachricht für dich …«
»Ich kenne keine Namen«, flüsterte er.
Schnell kam die nächste Frage: »Aber dieser Stadtschreiber, er war doch auf der Seite der Bauern?«
Empörung weckte neue Kraft. »Nicht einen Augenblick.«
Der Mund über ihm verzog sich zu einem Lächeln. »Er muss diesen Mann nicht schützen. Wir haben bereits seine Aussage, sein Geständnis. Wir wollen nur prüfen, ob er die Wahrheit spricht.«
Mein armer Freund, wie sehr müssen sie dich gequält haben? Til schüttelte den Kopf, jede Bewegung stach in den Schultergelenken. »Stadtschreiber Cronthal hat nie mit den Bauern paktiert. Er diente treu der Stadt und seinem Fürsten, wenn er selbst etwas anderes behauptet, so lügt er.«
Das Lächeln erlosch. »Schafft ihn weg, diesmal soll er zurück in den Turm.«
Jede Kraft fehlte den Beinen, die Gelenke an Schultern und Füßen waren angeschwollen. Von den Blutknechten wurde der Gefangene die Treppe hochgezerrt, durch Gänge geschleift. Til hörte das Klirren der Schlüssel, dann schlug die Kerkertür hinter ihm zu, und er sank zu Boden.
»Wer bist du?«, fragten Stimmen aus dem Dunkel. »Sag deinen Namen!«
Noch ein Verhör, dachte er ermattet und zwang sich zu antworten: »Riemenschneider. Bildschnitzer …«
»Til …« Diese Stimme war ihm vertraut. Wenig später vernahm er sie wieder, diesmal dicht an seinem Ohr. »Til, Freund. Gottlob, wir sind wieder zusammen.«
Er begriff und wollte nach dem Arm tasten, vergeblich, zu groß war der Schmerz. »Martin. Was haben sie dir angetan?«
»Nichts. Sie wollen stets aufs Neue wissen, ob ich den Bischof als meinen Herrn anerkenne. Und ich kann dem stets nur zustimmen. Aber was ist mit dir?«
Til berichtete von der Folter, vom Verhör, auch von dem angeblichen Geständnis des Stadtschreibers und musste immer wieder unterbrechen, nach Atem ringen. »Sie versuchen uns gegeneinander auszuspielen. Das darf nicht geschehen. Bitte …« Ohne Hilfe der Beine und Arme schob er sich näher an den Freund heran, berührte mit der Stirn seine Hand. »Eine Bitte …« Martin Cronthal beugte sich zu ihm hinunter. »Es betrifft meinen Schwiegersohn. Erwähne ihn nicht. Magdalena, seine Mutter, musste schon Kummer genug erleiden. Sie dürfen ihm nicht auf die Spur kommen.« Mühsamer bewegte er die Lippen. »Und wenn sie dich quälen, so beschuldige besser mich, nicht aber den Jungen, er soll … soll meiner Eva bleiben. Sie ist …« Der gnädige Nebel kehrte zurück, und Til sank in ihn hinein. »Sei ganz getrost«, flüsterte Martin, »Ich kenne den Namen nicht einmal.« Behutsam strich er über das verfilzte Haar. Dann suchte er nach etwas Stroh und bettete den Kopf des Freundes. Mehr Schutz vermochte er ihm nicht zu geben.
Zwei schnelle Pfiffe drangen von der Werkstatt her durchs geöffnete
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