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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Mama backt dir bestimmt ein Küchlein mit.«
»Ich warne dich, du blonder Engel.« Til schabte Bleiweiß aus einem Glas. »Verführ mir den Sohn unserer Maria nicht. Er bleibt hier.« Gespielte Strenge lag in der Stimme: »Du verschwindest jetzt und lässt mich arbeiten.«
»Ach, Vater«, seufzte Gertrud wie die Mutter und hüpfte an ihm vorbei nach draußen.
Mit dem Blick lächelte er ihr nach, dann klopfte er am Topfrand das Bleiweiß vom Spachtel und verrührte es. Nicht ganz zufrieden, streute er noch etwas Kalk in die Masse. Endlich entsprach der warme Braunton seiner Vorstellung. Eine Lasur sollte nicht nur schützen, sondern vor allem auch der Skulptur eine gleichmäßige Tönung geben, jede Unruhe des hellen Lindenholzes aufheben. Die Zubereitung übernahm der Meister selbst, denn er allein wusste, welche Schattierung die Ausdruckskraft des Werkes erhöhte.
»Auch wenn es mehr Arbeit kostet, will ich ohne Aufpreis Maria und ihr Kind so schnitzen, dass kein Maler von Nöten sein wird, der ihnen mit Farbe erst Leben einhauchen muss.«
Der Auftraggeber hatte ihn zweifelnd angesehen und schließlich mit der Bemerkung eingewilligt: »Notfalls kann die Figur ja immer noch gefasst werden.«
Til wölbte und straffte den Rücken, es gelang ihm, die Empörung nicht zu zeigen. Sein ganzes Innere aber bäumte sich gegen den feisten Fernhändler auf: Geh nach Münnerstadt, du Geldsack, und sieh dir meine Magdalena, meinen Flügelaltar an. Nur Augen und Lippen sind bemalt, sonst aber spricht das Holz, jede Haarlocke, jede Ader, die Hände und jeder Saum eines Gewandes. Und dazu benötigte ich keinen teuren Fassmaler …
Nichts von dem hatte er gesagt, weil ihm rechtzeitig klar wurde, dass auf diese Art zu schnitzen neu und ungewohnt war, sich die Vorteile und Vorzüge erst bei den Kunden herumsprechen mussten. Mit steifem Kopfneigen hatte er den Auftrag angenommen. »Maria mit Kind für Euren Hausaltar. Etwas mehr als eine Elle hoch. Perlen und Edelsteine für die Verzierung des Kleides habe ich von Euch entgegengenommen. Sie sind gezählt und quittiert. Bis auf Augen und Lippen bleibt die Statuette ungefasst. Ihr werdet zufrieden mit meiner Arbeit sein.«
Til verteilte drei brennende Öllampen so auf der Werkbank, dass kein Schatten entstand. Diese gleichbleibende Helligkeit zog er beim Auftragen der Lasur dem rasch wechselnden Tageslicht vor. Außerdem hatte er seine Gesellen mit dem Fuhrwerk zum Holzlager geschickt, denn nach dem Säubern der Figur durfte kein Staub mehr irgendwo in der Werkstatt aufgewirbelt werden.
Der kleine Heiland zuerst. Satt musste der Pinsel sein, doch kein Tropfen sollte hinausquellen; in weichen Bogenstrichen lasierte der Meister den rundlichen nackten Bauch, wartete einen Moment, war mit der Tönung des Holzes zufrieden und versiegelte nun den von Marias Hand hochgestützten Oberkörper.
Ihre Hand … Til rundete die Lippen, und zwischen den Brauen entstand eine steile Falte. Wie lange hatte es damals gedauert, bis die Mutter mit ihrem Kind endlich in dieser weichen Einheit vor ihm stand. Er schüttelte den Kopf. Nur aus Gehorsam war Magdalena an dem verabredeten Montag in die Franziskanergasse gekommen. Er hatte sie draußen im Hof erwartet, hatte ihr sein herzlichstes Lächeln zur Begrüßung geschenkt.
Doch sie sagte nur höflich: »Hier sind wir, Herr. Wie Ihr es verlangt habt.«
»Nein, nein. Kein Befehl.« Er wollte Leichtigkeit. »Es war eine Bitte. Nichts sonst. Weil ich deine Hilfe benötige.« Til geleitete sie zur Bank vor dem Haus. »Möchtest du Traubenmost? Nein? Oder vielleicht der Junge?«
»Danke. Ich habe ihn schon gestillt, damit Ihr nicht wieder durch sein Schreien gestört werdet.«
Er legte die großen Hände zusammen. »Du deutest mein Verhalten im Apothekerhaus falsch.«
»Ach, Herr. Ich habe gar kein Recht, etwas falsch oder richtig zu finden. Allzu deutlich habt Ihr mir das bei Euerm Besuch gezeigt.«
»Ich kann dir erklären …«
Die Haustür schwang weit auf, in ihrer gesamten Fülle stand Anna im Eingang. »O verzeih, Liebster …« Dem Mienenspiel gelang die Überraschung nicht. »Ich dachte, du bist in der Werkstatt. Und jetzt hast du Besuch?«
»Beim Frühmahl sprach ich davon«, sagte er betont nachsichtig. »Gewiss hast du es vergessen, mein Liebe. Heute kommt eine Mutter mit ihrem Kind, um mir Modell zu stehen.«
»Wie dumm von mir. Willst du uns nicht bekannt machen?«
Weil seine Gemahlin sich nicht einen Schritt bewegte, musste er die Besucherin zu ihr

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