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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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auch schon gefunden: »Gemeiner Pfennig.«
Dennoch ist König Maximilian nach dem Reichstag unzufrieden. »Diese Zugeständnisse. Ich befürchte, ich habe mir ein zu großes Stück Macht von diesen Fürstenhalunken aus der Hand nehmen lassen.« Er dreht den Zeigefinger in eine der langen schwarzen Haarlocken und zieht heftig daran. »Ich fühle mich wie an Händen und Füßen gebunden und an einen Nagel gehängt …«
Würzburg

Weder im Winter noch zu Beginn des Frühjahrs hat Meister Til eine neue Vermählung erwähnt. Magdalena glaubt, dass er damals bei Tisch nur aus einer schlechten Laune heraus davon gesprochen hat, und ist zufrieden. Nach wie vor geht sie zweimal in der Woche zum Hof Wolfmannsziechlein, arbeitet und wird hin und wieder von ihm für einen kurzen Schwatz in die Werkstatt gebeten.
Der Sommer wärmt das Maintal und lässt die Reben goldgelb reifen. Hoch beladene Kiepen, fröhliche Gesichter, in Würzburg wird die Weinlese im Herbst 1496 zum Fest. Trunken finden die Familienväter nach Hause ins eheliche Bett. Für so manchen Junggesellen aber werden die weinseligen Nächte zur Qual. Die Franzosenkrankheit ist mit dem französischen Heer über die Alpen getragen worden. Schnell griff sie um sich, wie ein Flächenbrand überzog die Lustseuche bald schon Land und Stadt, verschonte auch Würzburg nicht. Die ratlosen Ratsherren ließen alle Badehäuser schließen, und dann musste auch die Tür des städtischen Bordells für alle Besucher verriegelt bleiben. Keine Laterne lockt den Liebeshungrigen mehr ins Frauenhaus Zum Esel.
Ende Oktober steigt Tilman Riemenschneider am helllichten Tag die Wendeltreppe des Wohnhauses hinauf und sucht Magdalena in der Nähstube auf. Sein Gesicht ist hell, seine Augen glitzern. »Magda, ich muss mit dir reden, weil mein Herz so voll ist.«
Ihre Hände zittern, sie lässt Nadel, Faden und das löchrige Hemd in den Schoß sinken. »Herr? Wenn ich helfen kann …«
»Helfen?« Er lacht jungenhaft, schüttelte den Kopf und nickt gleich darauf. »Ja, zuhören, diese Hilfe benötige ich. Außer dir hab ich niemanden sonst.«
»Sagt das nicht«, wehrt sie ab und blickt zu Boden.
Unvermittelt beugt er sich hinunter, fasst mit festem Griff unter ihre Schultern. Wie eine Puppe hebt der große Mann sie hoch; Magdalena spürt seine Kraft, ist fest an seiner Brust, wird herumgewirbelt, und schon sitzt sie wieder auf ihrem Stuhl. »Herr …?« Nur weil Hemd und Nähzeug auf dem Boden liegen, weiß Magdalena, dass kein Wachtraum sie soeben genarrt hat.
Über sich selbst erschrocken, stockt Til, schließlich hebt er entschuldigend die Brauen. »Es war die Freude … Verstehst du?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Der Grund ist der …« Gefasst verschränkt er die Hände auf dem Rücken. »Ich komme gerade vom Berg, vom Schloss. Unser neuer Bischof hat mich zu sich gebeten. Eine private Audienz …« Umständlich berichtet er von dem Besuch. Wie lange er im Vorsaal hat warten müssen, und wen er von den Stadträten dort oben zufällig getroffen hat.
Als Magdalena feststellt, dass sie ihm wirklich nur zuhören soll und nichts sonst, bückt sie sich ein wenig enttäuscht nach dem Nähzeug und zieht Querfäden über das Loch im Hemd.
Die Worte werden schneller, der Klang seiner Stimme voller, Begeisterung nimmt ihn mit: » … und Bischof Lorenz verneigt sich leicht, wirklich, er neigt mir den Kopf zu, dabei deutet er mit der offenen Hand auf mich. ›Meister Riemenschneider. Ihr seid der Einzige, dem ich diesen Auftrag erteilen kann und möchte. Ihr sollt das Grabmal meines Vorgängers fertigen …‹« Weil Magdalena nicht aufblickt, betont er: »Das Grabmal des Rudolf von Scherenberg. Hörst du?«
»Ich freue mich für Euch, Herr. Wann müsst Ihr damit fertig sein?«
»Nein, du weißt nicht, was dieser Auftrag für mich bedeutet.« Til ballt die Faust unter dem Kinn. »Es ist die höchste Ehre, die einem Bildschnitzer widerfahren kann: das Grabmal für den verstorbenen Fürstbischof zu schaffen. Stell dir vor: Für die lebensgroße Gestalt wird mir roter gefleckter Marmor aus dem Salzburger Land geliefert. Kein Stein lässt sich so schleifen und polieren … Niemand wird auch nur eine Meißelspur entdecken …« Langsam fährt er mit der Fingerkuppe eine unsichtbare Linie nach. »Und umgeben werde ich den Bischof mit unserem hellen Sandstein. Ja, Sockel, Baldachin, Rahmen. Gerade dieser Kontrast, Magda, hält einen Moment des Lebens fest … Magda? Was hältst du davon?«
Längst hat sich

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