Riemenschneider
schwappen. Und keine Eile, keines der Geschwister wartete ungeduldig, dass er den Platz räume, damit der Nachfolger und auch dessen Nachfolger noch in den Genuss des warmen Wasser kämen.
»Und an einem der Badetage kam sie herunter …«
Donnergrollen, immer wieder, nah und näher fuhr es durch das Schwarzgrau der Wolken. Erste Tropfen fielen. Drüben, die Eiche war nicht mehr weit entfernt. Nur leicht beschleunigte Martin den Schritt, ehe der Regen zunahm, würde er dort unter der mächtigen Krone Schutz finden.
Trotz des Gepolters über ihm lächelte er und sah die Waschküche im Hause Cotta wieder vor dem inneren Auge.
Während Frau Ursula sich dem Holzzuber näherte, nahm sie ein Fläschchen aus der Rocktasche. »Das wird deiner Haut guttun.« Sie träufelte etwas vom Öl ins Wasser. Gleich verbreitete sich ein Duft nach Lavendel. Martin sah zu seiner Gönnerin auf, reine Fürsorge stand in ihrem Blick. Mit einem Mal runzelte sie die Stirn. »Der Rücken. Ich sollte dir den Rücken waschen.« Schon streifte sie die Ärmel ihres Hauskleides zurück und nahm von der Seife. »Besser, du kniest dich hin.«
Ohne Zögern gehorchte Martin. Ihre Hände glitten über seinen Nacken, mit festem Druck wusch Frau Cotta die Schultern, ihre Hände beschrieben Kreise auf der Haut, so arbeitete sie sich langsam zum Wasser hinunter. Zunächst empfand Martin die Pflege nur angenehm, dann aber spürte er ein Drängen in den Lenden.
Frau Cotta begnügte sich nicht mit dem Rücken, einmal angefangen seifte sie ihrem Ziehsohn auch die Brust ein. »Steh auf, Junge. Dann könnte ich …«
»Nein, bitte nicht«, sagte er schnell und schüttelte wie ertappt den Kopf.
Sie sah ins Wasser, ein leises Lächeln stahl sich in ihre Augenwinkel. »Aber, aber. Vor mir musst du dich nicht schämen.« Wie unbeabsichtigt sank ihre Hand tiefer und umschloss seine Erregung. »Denkst du manchmal an mich?«
Er vermochte nur zu nicken. »Verzeiht«, stammelte er. »Ich weiß, es ist Sünde. Besser, Ihr jagt mich davon …«
»Aber nein.« Frau Cotta bewegte leicht die Hand. »Ich bin sogar stolz darauf, wenn solch ein gut gewachsener junger Mann hin und wieder des Nachts an mich denkt.«
Seine Aufregung ließ ihn erbeben, er schloss die Augen, fühlte Hilflosigkeit und musste sich hingeben.
Wenig später spürte er ihren Atem an seinem Ohr. »Du guter Junge. Wer so fleißig lernt, der soll auch verwöhnt werden.« Sie drückte ihm einen sanften Kuss ins nasse Haar. »Denk immer daran: Für einen Mann gibt es nichts Schöneres auf Erden als Frauenliebe, wenn sie ihm geschenkt wird.«
Martin blieb nahe der Eiche stehen. Der strömende Regen kümmerte ihn nicht. Sehnsüchtig reckte er beide Arme: »Hab Dank, Frau Ursula, für Eure vielen zärtlichen Geschenke. Was gäbe ich darum, noch einmal Euer Ziehsohn sein zu dürfen!«
Grelle Helligkeit blendete, gleich folgte ein ohrenzerreißender Knall! Martin schrie. Eine furchtbare Gewalt hob ihn an, schleuderte ihn zur Seite, dann taumelte er, knickte mit dem Fuß um und stürzte auf die Knie.
Wieder fuhr ein Blitz nieder, das Krachen schmerzte, und als hätte sich das Gewitter nur diesen Ort erwählt, schickte es erneut Blitz um Blitz; der Lärm schürte die Angst, hinzu kam jetzt ein Ächzen, Splittern.
Martin sah auf. Die Eiche brach auseinander, ihre Krone fiel wie ein riesiger Drache auf ihn zu; voller Verzweiflung hastete er auf Knien und Händen aus der Gefahr, neben ihm schlug die Baumkrone nieder, Blätter und Äste peitschten ihn.
Martin schrie! Das Toben aber ließ nicht nach. »Herr, vergib mir meine Sünden«, flehte er zum Himmel. »Hilf, heilige Anna! Bewahre mich. Hilf mir! Lass mich nicht sterben. Bitte. Ich werde Mönch. Ich verspreche es.«
Blitz und Schlag, ohne Erbarmen. Martin kauerte sich zusammen, presste die Stirn ins Gras. »Ich bereue alle unkeuschen Gedanken. Ich gelobe … gelobe … ich gehe ins Kloster.«
Der Himmel aber hieb weiter mit Donner auf ihn ein, die Blitze blendeten die Augen. Auch seine letzten Kräfte erlahmten, Martin weinte haltlos, streckte sich bäuchlings auf dem Boden aus, verbarg das Gesicht im modrigen Gras; immer wieder stammelte, flüsterte, flehte er: »Hilf, liebe Anna. Rette mich vor dem Tod! Ich will Mönch werden. Ich gelobe es …«
Endlich ließen die Gewalten von ihm ab, und der Regen wurde zum Labsal für die gepeinigte Seele. Erst nach geraumer Weile setzte Martin sich auf. Immer noch zitterte er am ganzen Leib, die Lippen bebten: »Dank, liebe
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