Riesling zum Abschied
aufsehen musste. Er liebte es, ihn damit zu ärgern. Dann trat er zwei Schritte zurück, wickelte das Keyboard aus und überreichte es mit einer Verbeugung.
»Ich habe noch mehr dabei, aber sehen Sie sich das Teil erst einmal an. Es ist ein sogenanntes USB-fähiges Keyboard, es funktioniert wie ein Computer. Es wurde am Samstag vor dem Mord an Alexandra Lehmann geliefert, Lieferschein ist vorhanden, am Sonntagabend nach dem Streit hat mein Freund es ausgepackt, das Ding angeschlossen und darauf gespielt. Das müsste der interne Computer aufgezeichnet haben, so wie es jeder Rechner aufzeichnet, wenn eine Datei angelegt und verändert wird. Experten dafür haben Sie ja, wie ich vom Staatsanwalt erfuhr.«
»Da haben Sie sich was Feines ausgedacht.«
»Wollen Sie mir unterstellen, dass ich Beweise manipuliere oder fälsche? Wiederholen Sie das vor Zeugen?«
»Warum, junger Mann, sind Sie uns gegenüber so feindlich eingestellt? Was haben Sie für ein Verhältnis zum Staat?«
»Erstens geht Sie das nichts an, und zweitens gehört inzwischen Misstrauen zur ersten Bürgerpflicht. Drittens |312| tragen Sie ständig eine Waffe, Sie dürfen Menschen erschießen. Viertens sind Sie dem Staat gegenüber verpflichtet und nicht uns Bürgern, fünftens, und das ist das Schlimmste, was ich Ihnen persönlich ganz übel nehme, haben Sie meinen besten Freund zu Unrecht eingesperrt. Reicht Ihnen das?«
»Das hat der Staatsanwalt angeordnet. Ich nicht.« Sechser guckte irritiert. »Und was haben Sie mir noch mitgebracht?« Thomas’ Direktheit verunsicherte ihn.
»Eine Autonummer. Es gibt da jemanden, der mich verfolgt und beobachtet, seit ich bei Johanna Breitenbach in Bingen war. Sie können die Nummer überprüfen oder es lassen, rauskriegen tue ich es irgendwann sowieso.«
Sechser blickte neugierig auf den Zettel mit der Nummer. »Wer hat Sie, wie Sie es sagen, verfolgt? Woran haben Sie es bemerkt?«
»Das waren nicht zufällig Sie?«
»Das hätten Sie kaum bemerkt.«
»Tatsächlich? Angeblich gibt es Fotos von mir und Frau Breitenbach, über uns werden Gerüchte ausgestreut, als ob ich was mit ihr hätte. Ich weiß, wer sie verbreitet, aber nicht, wer sie aufgebracht hat. Wer uns beobachtet, will wissen, was ich herausfinde. Ich bin auch überfallen worden.«
»Was ist das wieder für eine abgefeimte Story?«
»Ich bin von drei Männern angegriffen worden, einer wollte mich niederstechen.«
Der Kommissar lachte. »Sie haben eine blühende Phantasie.«
»Lesen Sie mal die Berichte Ihrer Behörde richtig und ziehen dann Ihre Schlüsse, Herr Hauptkommissar. Mein Anwalt, der auch der von Manuel Stern ist, plädiert auf versuchten Mord. Ich trete im Prozess als Nebenkläger auf. Bei zehn Jahren Knast vor Augen werden diese Knalltüten uns schon stecken, wer sie geschickt hat.«
»Die haben lediglich Autotüren zerkratzt«, sagte Sechser und blickte auf seinen Rechner.
|313| »Alles falsch. Lesen Sie mal richtig. Die haben auf Manuels Auto gesessen und mir aufgelauert. Als ich kam, haben sie Manuels Auto zerkratzt, um mich zu provozieren. Ich bin hinterhergerannt, dann griffen sie mich an. Dafür gibt’s Zeugen.«
Sechser, der noch immer auf den Bildschirm starrte, runzelte verblüfft die Stirn. »Sie haben drei Mann niedergeschlagen?«
»Leider nur zwei, der Dritte ist verduftet. Aber Ihre Kollegen haben sein Messer, mit Fingerabdrücken. Selbst ist der Mann, Herr Sechser, wo Sie mir keinen Personenschutz zubilligen.« Thomas ärgerte sich, dass er erst jetzt begriff, dass Sechser sich mit Ironie und Zynismus besser provozieren ließ als mit Aggressivität.
»Wir wollen die Angelegenheit nicht auf die lächerliche Ebene schieben.« Die Augen des Kommissars klebten weiter am Bildschirm.
»Da bin ich ganz bei Ihnen, wie man zu sagen beliebt, Herr Sechser.« Thomas hatte plötzlich eine Idee, das Gespräch lief besser als erwartet. Der Kommissar biss an. »Wer hat eigentlich die Analyse des Mageninhalts vorgenommen? Nehmen Ihre Nekromanen derartige Untersuchungen vor?«
Sechser verstand den Begriff nicht. »Nekromanen? Sie meinen Rechtsmediziner? Bei komplizierten Fällen helfen Institute.«
»Nicht zufällig Professoren aus Geisenheim, weil es um Wein geht, diesen Riesling, den Alexandra angeblich getrunken hat?«
»Reden Sie mit dem Verteidiger von Stern, der gibt Ihnen vielleicht Auskunft.«
Sechsers Telefon unterbrach sie, er meldete sich mit Titel und Namen, zog einen Block heran und machte Notizen.
»...
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