Riesling zum Abschied
Mindesthaltbarkeitsdatums anbot.
»Es kann bedeuten, dass Marquardt dort ein Weingut besitzt und seine Mutter als Aufpasserin hinbeordert hat. Wieso hat er nie darüber gesprochen? Er leitet schließlich ein Frankreich-Seminar, das würde passen, Alexandra hat daran teilgenommen, wie ich von Manuel weiß.« Thomas zog Johannas Laptop zu sich heran.
»Mir kommt es so vor, als ob sie abgeschoben wurde. Sie redete ständig von einem Sohn, der dieses und jenes will und anderes wieder nicht und sie mit Verboten gängelt.« Johanna schaute Thomas belustigt zu, mit welcher Inbrunst er auf die Tasten hämmerte. »Weshalb sollte Marquardt ein Geheimnis daraus machen? Ich habe ihn neulich danach gefragt – er blieb mir die Antwort schuldig.«
Thomas saß wie ein Geier über das Gerät gebeugt. »Mein Vater hat noch nicht geantwortet, unter den E-Mails ist nichts. Philipp wird alt, früher war er schneller.«
»Oder er hat zu viel zu tun. Er braucht Ihre Hilfe.« Johanna strich die Seite mit dem Fragenkatalog glatt. »Es wird wirklich Zeit, dass Manuel entlassen wird.« Als sie |332| auch die Rückseite glättete, bemerkte sie das Bild von Alexandra auf dem Reiterhof, Thomas hatte die Fragen auf der Rückseite der Fotokopie notiert. Mitten in der Bewegung hielt sie inne und blickte Thomas an. »Wo ist das? Wo wurde das Foto gemacht?«
»Auf einem Reiterhof«, sagte Thomas, »habe ich Ihnen doch von erzählt, hier ganz in der Nähe. Ich habe das Bild in Alexandras Schreibtischunterlage gefunden und etliche Leute darauf angequatscht, ob sie den Typ neben ihr kennen. Das spricht sich rum, und der Mörder wird auf mich aufmerksam ...«
»Du bist wirklich lebensmüde. Bietest dich als Köder an?« Johanna hielt plötzlich inne. »Aber das ist doch ... Wieso haben Sie mir das Bild nicht längst gezeigt?« Johanna war aufgeregt. »Das ist doch Marquardt, unser Professor. Genau so sah er aus, als er sich bei dem Vortrag neulich weggedreht hat. Warum hat das bisher keiner erkannt?«
»Bist du sicher?« Thomas riss ihr das Blatt aus der Hand.
»Ich geb’s auf«, seufzte Johanna. »Bleiben wir beim du, zumindest unter uns. Aber nicht an der Hochschule, klar?!«
»Dann hängen die also alle zusammen: Waller, Vormwald und der feine Professor. Hatte der was mit Alexandra, ich meine ein Verhältnis? Der ist doch verheiratet, drei Kinder, große Villa im Mainzer Nobelviertel Gonsenheim.«
»Eine praktische Doppelmoral ist besser als gar keine«, Johanna lachte. »Man sollte Einblick in seine Beraterverträge nehmen. Wenn der Staat, also die Hochschule der Hauptarbeitgeber ist, müssen Nebentätigkeiten genehmigt werden.«
»Und die ungenehmigten?«
Johanna breitete in einer Geste übertriebener Hilflosig keit die Arme aus. »Diese Chose von wegen alter Professor und junge Studentin hat einen ellenlangen Bart und ist nicht sein Problem ...«
»Woher wollen Sie ... woher willst du das wissen? Na |333| gut, wenn Waller die Wohnung in Lorch gemietet hat, dann vielleicht er? Florian treibt es lieber mit Mädels aus der Slowakei. Die werden nicht renitent und sind weniger anspruchsvoll.«
»Vielleicht hatten beide mit ihr ein Verhältnis, aber dazu waren sie sich zu nahe, und sie war keine ...«
»Für Geld tat Alexandra vieles, vielleicht auch das. Ich habe es von Anfang an vermutet, aber das habe ich Manuel vorsichtshalber nicht gesagt. Sie war nur des Geldes wegen mit ihm zusammen.«
»Was haben die Männer ihr gegeben, und was hat sie ihnen gegeben?«
»Gut aussehende Frauen gibt es viele. Mir ist das zu wenig. Ich glaube, dass es um mehr geht als um Mord. Ein Verbrechen wird oft begangen, um ein anderes zu verdecken.«
»Was meinst du damit? Was verbindet diese vier miteinander?«
»Die Chemie«, antwortete Thomas wie aus der Pistole geschossen. »Bis auf den Anwalt.«
»Wie wir gerade erfahren haben, fällt der nicht aus der Reihe. Anwälte braucht man heute für alles, auch für jedes Verbrechen; in jeder Lobby sitzen sie, in jeder Partei. Manuels Vater bringt hoffentlich Licht in die Sache. Habe ich erzählt, dass Marquardt mich angesprochen hat, ob ich mich nicht mehr in die Arbeit der Forschungsanstalt integrieren will?«
»Wozu das?«
»Wahrscheinlich um zu forschen, und außerdem macht er mir Avancen.« Johanna fühlte Thomas’ skeptischen Blick auf sich.
»Was hätte Marquardt davon? Haus, Familie, teure Weine, ein teures Auto, das alles kostet Geld. Dann hetzt er hinter meinem Rücken. Von
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