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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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Ihnen und Ihrem Vater?«
    »Wir?« Thomas lachte. »Wir sind wahrscheinlich genauso närrisch oder schrullig, wir leben in einer Nische. Wir könnten höchstens unsere Nischen zu Breschen erweitern.«
    Johanna lächelte mitleidig: »Dann, mein lieber Thomas, schicken sie die Polizei, und wenn das nichts mehr hilft, das Militär.«
    »Sie reden wie mein Vater, Frau Professor. Wollen Sie einem jeden Mut nehmen? Übrigens, ich habe eine Besuchserlaubnis.«
    Johanna sah ihm nach, als er sich aufs Fahrrad schwang, und ärgerte sich. Das mit dem Mut hätte sie gern klargestellt. War es tatsächlich so?

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    Beton. Stahl. Kameras. Doch anders als in U S-Actionfilmen , in denen Wächter mit schussbereitem Gewehr auf Wachtürmen patroullierten, herrschte in diesem Gefängnis Hygiene – eine auf Dauer tödliche für Thomas’ Verständnis.
    Sein Freund war auf dem Weg, schwer krank zu werden. Manuel machte einen katastrophalen Eindruck. Er war blass, müde, mager, mutlos und wich jedem direkten Blick aus. Es war schmerzhaft für Thomas, den Verfall in so kurzer Zeit mit ansehen zu müssen, als er im Besuchsraum vor ihm saß.
    »Lass dich nicht kleinkriegen«, hatte sein Vater ihm vor dem Besuch eindringlich geraten. »Sie machen Tamtam, der Staat liebt martialische Gebärden, seine Diener ebenso, aber sie schießen erst, wenn du bei Osama bin Laden mitmachst oder Amok läufst. Alles andere lässt sich ausreizen. Die Grenzen musst du erkunden.«
    Manuel so vor Augen zu haben, ihn nicht einmal umarmen zu dürfen war ein Schock. Manuels Augen waren stumpf, die Schultern hingen herab, und sein Gesicht war leer. Er hob sich kaum von der Wand hinter ihm ab, nur der Beamte, der ihn brachte und nichts weiter als »dreißig Minuten« gesagt hatte, schuf eine Perspektive in dem weißen Käfig.
    »Haben sie kein Sonnenstudio hier?«, flachste Thomas, »das wäre doch was für den modernen Strafvollzug.«
    |191| »Nicht in der Untersuchungshaft«, sagte Manuel tonlos, und seine Stimme entsprach seinem Aussehen. »Es geht mir gut. Ich bin in einer Einzelzelle, ich kann den ganzen Tag über mit mir reden. Und der Hofgang ist vorbei, bevor er begonnen hat – zwischen Betonmauern. Wenn ich senkrecht nach oben schaue, sehe ich sie nicht.«
    »Was machst du den Tag über?«
    »Ich laufe, auf der Stelle, ich gehe hin und her, hin und her, hin und her, hin und her wie ein   ...«
    »Ich hab’s kapiert, wie ein Tiger im Käfig. Aber so geht das nicht. Du musst was machen! Du darfst dich nicht gehen lassen.«
    Manuels Lachen hörte sich schrecklich an, verzweifelt, hoffnungslos.
    »War der Anwalt hier? Hat er mit dir gesprochen?«
    »Mein Vater hat ihn geschickt.«
    »Was heißt das?« Thomas warf einen Blick auf den Schließer, der auf Manuels Seite an der Wand saß, das Gespräch schien ihn nicht zu interessieren.
    »Dass er der Anwalt meines Vaters ist und nicht meiner.«
    »Wenn ich dich richtig verstehe, liegt ihm mehr daran, deinen Vater rauszuhalten, als dich rauszuholen.«
    »Du hast es erfasst.«
    »Die Breitenbach hat mir von ihm erzählt. Ich treffe mich nachher mit ihm auf Schloss Johannisberg, er hat mich zum Essen hinbestellt.«
    »Wie mein Vater. Solche Leute erledigen alles beim Essen, da brauchen sie nicht zu arbeiten. Ich habe ihm die Generalvollmacht für dich gegeben, sie gilt für alles, was mich angeht.«
    »Sie   ...«, Thomas warf einen vorsichtigen Blick auf den Schließer, »sie hilft uns«, flüsterte er, »sie recherchiert unter den Dozenten, ich mache die andere Arbeit. Übrigens   – Alexandra hatte sicher eine Bibliothekskarte?«
    Manuel nickte. »Wird in ihrer Wohnung sein.«
    |192| »Wieso hast du nichts davon gesagt, dass du ihre Wohnung bezahlt hast?«
    »Du hättest mich für verrückt erklärt und rumgenervt.«
    »Das ist wohl wahr, und da hältst du lieber das Maul, statt ehrlich zu sein, nur um meiner Kritik aus dem Weg zu gehen? Ist das deine Auffassung von Freundschaft? Ich habe eine andere.«
    Das war dumm, das war zu hart, Thomas merkte es sofort, er musste sich mäßigen. Manuel biss sich auf die Lippen. Thomas wollte es wiedergutmachen.
    »Ich soll dir Grüße bestellen – besonders von meinem Vater. Von ihm habe ich volle Rückendeckung für alles, was wir unternehmen, auch wenn es Geld kostet. Dann natürlich von der Breitenbach und von Regine.«
    »Ist ihr neuer Typ aufgetaucht?«
    »Nein, sie ist viel weg, aber wir werden dir jetzt jeden Tag einen Brief schicken, alles, was in der FH

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