Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
wirklich wichtig?
Sie hatte ihn im Auge behalten, vor allem in den letzten Jahren, seit sie den Argus online lesen konnte. Das Leben eines zunehmend prominenten Polizeibeamten konnte man mühelos verfolgen; über ihn wurde häufig berichtet. Er ging noch immer der Arbeit nach, die er so liebte. Er war ein beschissener Ehemann, aber ein toller Polizist. Als Ehefrau kam man immer an zweiter Stelle. Manche akzeptierten es. Andere waren selber Polizistin und konnten es verstehen. Aber das war nicht das Leben gewesen, das sie sich wünschte. Hatte sie jedenfalls gedacht.
Doch nun, da sie allein lebte, zweifelte sie zunehmend an ihrem Entschluss. Und diese Anzeige beunruhigte sie mehr, als sie sich das jemals vorgestellt hatte.
Tot?
Ich?
Wie bequem für dich, Detective Superintendent Roy Grace, Leiter der Abteilung Kapitalverbrechen in Sussex. Nun, ich bin dir gefolgt. Ich befinde mich nur wenige Schritte hinter dir. Der Geist, der dich heimsucht. Du hast ja richtig Karriere gemacht. Dein Vater hat es nur zum Sergeant gebracht. Du bist schon höher aufgestiegen als in deinen wildesten Träumen – jedenfalls in denen, von denen du mir erzählt hast. Wie viel höher wirst du noch steigen? Wie hoch hinaus willst du? Bis ganz an die Spitze? An den Ort, den du angeblich nie erreichen wolltest?
Bist du glücklich?
Weißt du noch, wie wir über Glück diskutiert haben? Du erinnerst dich doch sicher an den Abend, an dem wir uns in der Kneipe in Browns betrunken haben und du mir erzählt hast, es sei zwar möglich, glückliche Augenblicke zu erleben, aber nur ein Idiot könne immer glücklich sein?
Du hattest recht.
Sie schlug die Zeitung auf und las die Anzeige noch einmal. Wieder wallte Zorn in ihr auf. Ein lautloser Zorn. Ein Feuer, das gelöscht werden musste. Es war eines der ersten Dinge, die man sie gelehrt hatte. Dass der Zorn ein großes Problem sei. Sie gaben ihr ein Mantra, das sie aufsagen musste. Wieder und wieder und wieder.
Die Worte fielen ihr wieder ein. Sie sagte sie im Geiste auf.
Leben heißt nicht, auf das Ende des Sturms zu warten. Du musst lernen, im Regen zu tanzen.
Während sie die Worte immer und immer wiederholte, wurde sie allmählich ganz ruhig.
38
TONY CASE, DER SENIOR SUPPORT OFFICER der Kripozentrale, rief Roy Grace am frühen Nachmittag an und teilte ihm mit, dass eine der laufenden Ermittlungen in Sussex House früher als erwartet abgeschlossen worden und die Soko-Zentrale 1 somit freigeworden war. Case, mit dem sich Grace gut verstand, wusste genau, dass der Detective Superintendent diesen Raum für seine Ermittlungen bevorzugte.
Grace war gerade auf dem Weg zur Abendbesprechung, als sein Handy klingelte.
Es war Kevin Spinella.
»Detective Superintendent, hätten Sie einen Augenblick Zeit für mich?«
»Tut mir leid, nicht mal eine Nanosekunde. Oder eine Pikosekunde. Nicht einmal eine Femtosekunde.«
»Haha, sehr witzig. Ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde. Nicht einmal das können Sie für mich erübrigen?«
»Sie wissen tatsächlich, was das ist?« Grace war ein wenig verblüfft.
»Nun, ich weiß, dass eine Nanosekunde ein Milliardstel einer Sekunde ist und eine Pikosekunde ein Billionstel einer Sekunde. Ja, und Sie sehen, ich weiß sogar, was eine Femtosekunde ist.«
Grace hörte ihn wie immer Kaugummi kauen. Es klang wie ein Pferd, das durch den Schlamm trottete.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie auch Physiker sind.«
»Ja, das Leben steckt voller Überraschungen. Also, haben Sie Zeit, über die Operation Violin zu sprechen?«
»Ich muss zu einem Meeting.«
»Ihre Abendbesprechung?«
Grace konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Gab es eigentlich etwas, das dieser kleine Scheißer nicht wusste?
»Genau. Sie scheinen meinen Tagesablauf besser zu kennen als ich.«
Spinella achtete nicht auf die spitze Bemerkung. »Ihr Hauptverdächtiger Ewan Preece …«
Grace schwieg. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Woher wusste der Reporter das nun wieder?
Dann wurde ihm klar, dass es Dutzende möglicher Quellen gab, aus denen er den Namen erfahren haben konnte, angefangen mit dem Ford Prison. Im Augenblick hatte es keinen Sinn nachzubohren.
»Wir haben noch gar keinen Hauptverdächtigen«, erklärte er und dachte angestrengt nach, wie er Spinella nutzbringend einsetzen konnte. Er spielte auf Zeit. »Wir möchten gerne mit Ewan Preece sprechen, damit wir ihn von den Ermittlungen ausschließen können.«
»Und wieder in Ford hinter Schloss und Riegel bringen? Sie
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