Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
abgestandenem Zigarettenrauch stank. Das Adrenalin pumpte durch Graces Körper. Genau wie die meisten seiner Kollegen liebte er die Spannung bei solchen Einsätzen, aber auch die Angst, die damit verbunden war. Man wusste nie, was einen erwartete. Oder welche Waffen eingesetzt wurden. Seine Augen schossen in alle Richtungen, jederzeit konnte ein Bewaffneter auftauchen. Er wusste, dass er und Glenn bei weitem nicht so gut geschützt waren wie die übrigen. Sie trugen nur schusssichere Westen unter den Jacken.
Die Mitglieder des Teams teilten sich auf, liefen in die verschiedenen Zimmer: »Polizei! Bleiben Sie, wo Sie sind! Keine Bewegung!«
Die beiden Ermittler standen in der engen, kahlen Diele und hörten über sich Türen schlagen. Schwere Schritte. Dann die Stimme der Kollegin Vicky Jones, die besorgt rief: »Sie sollten besser reinkommen, Sir!«
Er und Glenn gingen durch die offene Tür zu ihrer Rechten und betraten ein kleines, furchtbar überfülltes Wohnzimmer, das nach altem Rauch und Urin stank. Er bemerkte eine Couch mit hölzernem Rahmen, Wein- und Bierflaschen auf einem verdreckten Teppich, ungewaschene Kleidung und einen gewaltigen Plasmafernseher an der Wand.
Eine zuckende, stöhnende Frau lag mit dem Gesicht nach unten auf dem verschmutzten Boden. Sie trug einen flauschigen rosa Morgenmantel, war mit grauem Klebeband an Händen und Füßen gefesselt und außerdem geknebelt.
»Oben ist niemand!«, brüllte Jason Hazzard.
»Die Garage ist leer!«, meldete eine andere Stimme.
Grace rannte nach oben, schaute in die beiden Schlafzimmer und das Bad, kehrte zurück und kniete sich neben die Frau, während Vicky Jones und ein anderes Teammitglied das Klebeband von ihrem Mund und die übrigen Fesseln entfernten.
Die Frau war Mitte zwanzig und hatte dichtes, kurzes blondes Haar und ein hartes Gesicht. Sie legte los, sowie ihr Mund frei war.
»Arschlöcher! Warum braucht ihr so lange? Scheiße, wie spät ist es?«
»Fünf nach zehn«, antwortete Vicky Jones. »Wie heißen Sie?«
»Evie Preece.«
»Sind Sie verletzt?« Sie wandte sich an ihren Kollegen. »Ruf einen Krankenwagen.«
»Scheiße, ich brauch keinen Krankenwagen. Ich brauch was zu trinken und eine Kippe.«
Grace schaute sie an. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie hier schon gelegen hatte, doch sie wirkte erstaunlich gefasst für eine Frau, die gefesselt und geknebelt worden war. Er fragte sich, ob die ganze Sache vorgetäuscht war. Dieser Frau konnte man nicht über den Weg trauen.
»Wo ist Ihr Bruder?«
»Welcher Bruder?«
»Ewan.«
»Im Gefängnis. Wo ihr Schweine ihn hingesteckt habt.«
»Er ist also nicht hier gewesen?«, drängte Grace.
»Hier ist keiner gewesen.«
»Jemand hat in Ihrem Gästebett geschlafen.«
»Muss wohl der Mann im Mond gewesen sein.«
»Und der hat Sie auch gefesselt? Steht wohl auf Sadomaso, was?«
»Ich will einen Anwalt.«
»Sie sind doch gar nicht verhaftet, Evie. Sie bekommen nur einen Anwalt, wenn man Ihnen etwas vorwirft.«
»Dann werfen Sie mir was vor.«
»Kein Problem. Ich werfe Ihnen vor, meine Ermittlungen zu behindern. Sagen Sie mir jetzt, wer in Ihrem Gästezimmer geschlafen hat?«
Sie schwieg.
»Derselbe, der Sie gefesselt hat?«
»Nein.«
Gut, dachte er. Das war ein großer Schritt nach vorn.
»Wir machen uns Sorgen um Ihren Bruder.«
»Mir kommen die Tränen. Ihr habt ihn ständig hops genommen, seit er dreizehn war, und jetzt macht ihr euch Sorgen um ihn? Ist ja super!«
49
BEI DER ABENDBESPRECHUNG brachte Grace sein Team auf den neuesten Stand. Evie Preece konnte keine Angaben zum Angreifer machen, doch die Tatsache, dass sie sich zögernd zu einer medizinischen Untersuchung bereiterklärt hatte, verriet ihm, dass der Überfall nicht vorgetäuscht gewesen war, wie er vermutet hatte. Das Haus war eine solche Müllkippe, dass man nur schwerlich herausfinden würde, ob es von Einbrechern durchsucht worden war.
Nach Ansicht der Polizeiärztin war das Hämatom am Hals auf einen heftigen Schlag zurückzuführen. Sie fügte hinzu, dass die Stelle seitlich am Hals, knapp oberhalb des Schlüsselbeins, auf einen Täter hinwies, der Erfahrungen mit Kampfsport hatte. Dort schlug man zu, wenn man sein Opfer sofort bewusstlos machen wollte.
Dies deckte sich auch mit Evies Geschichte, nach der sie gegen elf Uhr am Vorabend in den Garten gegangen war, um die Katze hinauszulassen, und gefesselt auf dem Boden des Wohnzimmers wieder zu sich gekommen war. Sie bestritt weiterhin entschieden,
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