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Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)

Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)

Titel: Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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gern. Sie leistete ausgezeichnete Arbeit und war ein echter Profi, aber im Vergleich zu manchen ihrer Kollegen nicht zynisch geworden.
    »Was haben wir?«
    »Keinen schönen Anblick.«
    Sie drehte sich um und ging vor. Grace nickte einigen Kollegen zu. Er folgte ihr zu einer Reihe grauer, eingeschossiger Schuppen, die alle ein dickes Bitumendach und eine weiße Schiebetür aufwiesen. Die Tür des ersten Schuppens stand offen.
    Plötzlich roch er Erbrochenes. Das war kein gutes Zeichen. Tracy trat beiseite und bedeutete ihm einzutreten. Ein eisiger Luftzug wehte ihm entgegen, dann drang ihm der nahezu überwältigende Geruch von Räucherfisch in die Nase. Vor sich sah er eine feste Wand aus großen, kopflosen dunkelrosa Fischen, die an robusten Haken von einer Deckenschiene hingen. Es gab vier Reihen mit schmalen Gängen dazwischen, die gerade breit genug für eine Person waren.
    Sofort wanderten seine Augen zur dritten Reihe. Auf den ersten Blick sah es aus, als hinge ein großes, plumpes Tier mit geschwärztem Fleisch zwischen den Fischen. Ein Schwein, dachte er flüchtig.
    Dann erst deutete sein Gehirn den Anblick richtig, und er erkannte, was es in Wirklichkeit war.

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    SIE LIEBTE DEN AUSBLICK auf die Isar, die an dieser Stelle durch die grünen Maximiliananlagen floss, und saß gern am Fenster ihrer Wohnung im vierten Stock, von der man auf die lebhafte Widenmayerstraße schaute. Leute führten ihre Hunde aus, joggten oder schoben Kinderwagen am Ufer entlang. Am meisten aber liebte sie den Blick aufs Wasser.
    Aus diesem Grund ging sie auch so gern in den Englischen Garten und setzte sich an den See. In der Nähe des Wassers zu sein war wie eine Droge. Das Meer bei Brighton vermisste sie mehr als alles andere. Sie liebte München, aber manchmal sehnte sie sich nach dem Meer. Ab und zu sehnte sie sich auch nach etwas anderem – dem Alleinsein. Sicher, manchmal hatte sie die erzwungene Einsamkeit gehasst, wenn ihr Mann zum Dienst musste und ihre gemeinsamen Pläne von jetzt auf gleich über den Haufen warf. Dann hatte sie bisweilen ein ganzes Wochenende allein verbracht und die folgenden Wochenenden ebenfalls.
    Der italienische Autor Gian Vincenzo Gravina hatte geschrieben: Der Langweiler ist ein Mensch, der dich deiner Einsamkeit beraubt, ohne dir Gesellschaft zu leisten.
    So fühlte sich ihr neues Leben allmählich an. Er war so verdammt anspruchsvoll. Ihr neues Leben drehte sich nur noch um ihn. Sie sah auf die Uhr. Bald würde er zurückkommen. So war es jetzt immer. Jede Stunde ihres neuen Lebens wurde registriert.
    Auf ihrem Computerbildschirm war die Onlineausgabe des Argus zu sehen. Seit sie die Anzeige gelesen hatte, die Roy Grace im Münchner Merkur aufgegeben hatte, studierte sie täglich diese Zeitung.
    Wenn er sie nach all den Jahren für tot erklären lassen wollte, musste es einen Grund dafür geben. Und ihr fiel nur ein Grund ein.
    Sie holte tief Luft und mahnte sich an das Mantra, mit dem sie ihren Zorn im Zaum halten konnte. Leben heißt nicht, auf das Ende des Sturms zu warten. Du musst lernen, im Regen zu tanzen.
    Sie sagte es laut. Noch einmal. Und noch einmal.
    Schließlich fühlte sie sich so gefestigt, dass sie die Seite mit den Aufgeboten aufrufen konnte. Sie ging die Namen durch. Seiner war nicht dabei.
    Wie jeden Tag loggte sie sich mit einem Gefühl der Erleichterung aus.

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    IM LAUFE DER JAHRE hatte Roy Grace viele schlimme Dinge gesehen. Die meisten konnte er mit zunehmender Erfahrung verarbeiten, doch dann und wann stieß er auf etwas, das ihn nicht mehr losließ. Wenn das geschah, lag er schlaflos im Bett und sah es wieder und wieder vor seinem inneren Auge. Oder er wachte schreiend aus einem Albtraum auf.
    Eines seiner schlimmsten Erlebnisse hatte er als junger Streifenpolizist gehabt. Ein fünfjähriger Junge war von den Rädern eines Kipplasters zerquetscht worden. Er war als Erster vor Ort gewesen. Der Kopf des Jungen war verformt und hatte ihn mit dem blonden Strubbelhaar auf absurde und schreckliche Weise an Bart Simpson erinnert. In den Jahren danach hatte er zwei- oder dreimal im Monat von dem Jungen geträumt. Bis heute konnte er sich Bart Simpson kaum im Fernsehen anschauen, weil die alten Erinnerungen wieder hochkamen.
    Diesen Anblick hier würde er auch mit nach Hause nehmen. Es war entsetzlich, doch er musste einfach hinsehen und daran denken, wie sehr der Mann in seinen letzten Augenblicken gelitten hatte. Hoffentlich war es schnell gegangen, doch da war er sich nicht

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