Rigor Mortis: Thriller Ein neuer Fall für Roy Grace (German Edition)
sagen, warum.
Wenigstens war ihre Mutter da, um sich um ihn zu kümmern. Er hatte seine Oma gern und würde sich hoffentlich von ihr aufmuntern lassen. Doch sein Verhalten machte ihr wirklich Sorgen. Wenn sie nach Hause kam, würde sie sich in Ruhe mit ihm unterhalten. Sie bestellte ein Taxi und verließ die Kanzlei.
*
Auf dem Rückweg war sie in Gedanken versunken. Der Fahrer, ein ordentlich gekleideter Mann im Anzug, schien sehr gesprächig zu sein und wollte um jeden Preis Konversation machen, aber ihr war nicht nach Reden zumute.
Was die Richterin betraf, hatte sich Ken Acott nicht geirrt. Sie hatte für ein Jahr den Führerschein verloren und musste eine Geldstrafe von tausend Pfund zahlen, was, wie Ken ihr nach der Verhandlung verriet, die untere Grenze darstellte. Außerdem hatte sie das Angebot für einen Fahrkurs angenommen, mit dem sie den Führerscheinentzug auf neun Monate verkürzen konnte.
Sie war sich wie eine Idiotin vorgekommen, als sie zur Anklagebank getreten war.
Sie sah aus dem Fenster. Sie bewegten sich stetig durch den starken Feierabendverkehr auf der Old Shoreham Road. Sie schickte Tyler eine SMS, dass sie in zehn Minuten zu Hause wäre, und unterzeichnete mit einem Smiley und einer Reihe von Küssen.
»Sie wohnen doch Richtung Goldstone Crescent, der Nummer nach zu urteilen, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt.«
»Oh ja.«
Das Radio des Fahrers erwachte kurz zum Leben und verstummte wieder. Kurz darauf sagte er: »Haben Sie bei sich zu Hause eine Toilette mit hoch- oder tiefhängendem Spülkasten?«
»Hoch- oder tiefhängender Spülkasten?«
»Oh ja.«
»Keine Ahnung.«
Sie bekam eine Antwort von Tyler: Du hast Mapper nicht an. ☺
Sie antwortete: Sorry. Schrecklicher Tag. Hab dich lieb. XXXX
»Bei einem hochhängendem Spülkasten haben Sie eine Kette. Bei einem tiefhängenden einen Hebel.«
»Wir haben einen Hebel. Also dürfte es ein tiefhängender sein.«
»Wieso?«
Die Stimme des Mannes klang schrill und aufdringlich. Wenn er nicht bald aufhörte, von Toiletten zu reden, würde sie ihm kein Trinkgeld geben.
Zum Glück schwieg er, bis sie vor ihrer Haustür hielten. Der Taxameter zeigte neun Pfund. Sie gab ihm zehn und den Rest als Trinkgeld. Als sie ausstieg, rief er: »Schöne Schuhe! Größe sechs? Nicht wahr?«
»Gut getippt.« Sie musste unwillkürlich lächeln.
Er lächelte nicht zurück, sondern nickte nur und schraubte seine Thermosflasche auf.
Ein komischer Typ. Als sie die Treppe zur Haustür hochstieg, drehte sie sich nicht mehr um, sondern suchte in der Handtasche nach dem Schlüssel.
Auf der anderen Straßenseite saß Tooth in seinem gemieteten Toyota, der dringend eine Wäsche brauchte, und tippte etwas in sein elektronisches Notizbuch:
Junge 16.45 Uhr zu Hause. Mutter 18.00 Uhr zu Hause.
Dann gähnte er. Es war ein langer Tag gewesen. Er ließ den Wagen an und fuhr auf die Straße. Er sah, dass ihm ein Streifenwagen langsam entgegenkam, und zog die Baseballkappe tiefer ins Gesicht. Er schaute in den Rückspiegel. Die Bremslichter leuchteten auf.
69
CARLY HÖRTE DAS KLAPPERN von Geschirr aus der Küche, es roch nach Lasagne. Ihre Mutter hatte sich schon ums Abendessen gekümmert. Durchs Fenster fiel Sonnenlicht herein. Der Sommer kündigte sich an, doch sie betrat das Haus mit schwerem Herzen. Normalerweise hob sich in diesem Monat, in dem die Uhren vorgestellt und die Tage deutlich länger wurden, ihre Stimmung. Sie mochte das Licht am frühen Morgen und den Chor der Vögel, der in der Dämmerung erklang. In den ersten furchtbaren Jahren, nachdem Kes gestorben war, waren die Winter am schlimmsten gewesen. Im Sommer war es ihr irgendwie leichtergefallen, mit ihrer Trauer zu leben.
Doch was war eigentlich noch normal?
Normalerweise kam Tyler aus dem Schultor gelaufen, um sie zu begrüßen. Normalerweise stürmte er zur Haustür und umarmte sie, wenn sie unterwegs gewesen war. Nun aber stand sie allein in der Diele und schaute auf den viktorianischen Garderobenständer, an dem noch Kes’ Panamahut und der Filzhut hingen, den er aus einer Laune heraus gekauft hatte. Im Schirmständer befand sich sein Regenschirm mit dem Griff in Form einer silbernen Ente. Er hatte Zeichnungen gemocht. An der Wand hing ein Exemplar aus der edwardianischen Zeit, das Schlittschuhläufer auf der alten Eisbahn in der West Street zeigte, daneben ein Druck des längst verschwundenen Kettenpiers.
Plötzlich traf sie die Erkenntnis, dass der Sommer ohne Führerschein sehr
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