Riley - Die Geisterjägerin - Noël, A: Riley - Die Geisterjägerin - N.N. 4 (nach "Radiance" - The Riley Series)
vor, mir alle Zeit der Welt für meine Entscheidung zu geben.
Ich sah von ihr zu Theocoles hinüber, der eine dicke
Staubwolke aufwirbelte, als er eine Reihe Sprünge und Tritte vollführte. Er nahm weder sie noch mich noch irgendetwas in seiner Umgebung wahr und war nur auf den Film konzentriert, der sich in seinem Kopf abspielte. Das führte mir deutlich vor Augen, dass meine Möglichkeiten sehr begrenzt waren.
Ich befand mich in mehr als nur einer Beziehung auf fremdem Terrain. Was konnte es also schaden, ihre Hand noch einmal zu ergreifen und ihr Hilfsangebot anzunehmen? Beim ersten Mal hatte ich auch nicht gezögert, also warum überfielen mich nun plötzlich Zweifel?
Weil es sehr wehtun könnte! Der Gedanke setzte sich in meinem Kopf fest. Du könntest hier stecken bleiben und den Weg zurück nie wieder finden – so wie all die Seelenfänger, die vor dir an diesen Ort geschickt wurden!
Obwohl mir bewusst war, dass das stimmte, presste ich meine Lippen aufeinander und erwiderte ihren Blick. »Aber nur unter einer Bedingung«, erklärte ich.
Mir war klar, dass es ein wenig merkwürdig war, ihr ein Ultimatum zu stellen, obwohl ich von ihr abhängig war.
Sie nickte, und ihr Gesicht sah so hübsch, so freundlich, so arglos und offen aus, dass es mir beinahe schwerfiel, weiterzusprechen.
Aber nur beinahe.
Ich räusperte mich und zwang mich dazu, meine Hände ruhig zu halten. »Meine Bedingung ist, dass du mich nicht in eine Falle lockst, mich nicht in Angst und Schrecken versetzt, mich nicht verspottest oder … oder
irgendetwas mit mir anstellst, was auch nur im weitesten Sinn so ähnlich ist. Du wirst mir helfen, Theocoles, seine Welt und seine Beweggründe zu verstehen, und mir alles sagen, was ich wissen muss, um zu ihm durchzudringen und ihn davon zu überzeugen, dass es an der Zeit für ihn ist, weiterzuziehen. Und wenn es für mich Zeit wird, zu gehen, dann gehe ich. Ich bin nicht wie die anderen Seelenfänger, die du kennen gelernt hast. Ich meine, ich will niemanden beleidigen, aber dieser Ort gefällt mir überhaupt nicht. Ich habe also keinen Grund, hierbleiben zu wollen. Das bedeutet, dass ich meinen Weg zurück auf jeden Fall finden werde. Du kannst mich nicht länger festhalten, als ich hierbleiben will. Ganz gleich, wie sehr du das auch versuchst.«
Sie schwieg eine Weile. Ihre Unterlippe verzog sich zu einer lächerlich hübschen Schnute, und sie schien tief in Gedanken versunken, bis sich ihre braunen Augen auf mich richteten. »Und wie kommst du auf den Gedanken, dass ich für das Schicksal der vorherigen Seelenfänger verantwortlich bin?«
Ich kniff die Augen zusammen und antwortete ohne Zögern: »Reines Bauchgefühl.« Ich ließ meine Stimme ernst und geschäftsmäßig klingen, um ihr zu bedeuten, dass ich wirklich meinte, was ich sagte. »Mein Bauchgefühl sagt mir, dass du nicht bist, was du zu sein scheinst. Und nur damit du’s weißt, mein Bauchgefühl täuscht mich so gut wie nie, wenn es um solche Dinge geht.«
Sie senkte den Kopf, so dass ich den wunderschönen
Rubin in ihrem Haar funkeln sah. Dann richtete sie sich wieder auf und lächelte gezwungen. »Abgemacht, Miss Riley Bloom.« Ihre Augen glitzerten vor Aufregung. »Also, wie sieht es aus? Bist du bereit, noch tiefer in Theocoles Welt vorzudringen?«
Sie streckte zum dritten Mal ihre Hand aus. Ihre Handfläche zeigte nach oben, und ihre Finger winkten mich näher zu sich heran. Und wie beim ersten Mal zögerte ich nicht. Ich biss die Zähne zusammen, schloss die Augen und ergriff ihre Hand.
SECHS
B evor ich die Augen öffnete, kauerte ich mich zusammen. Ich biss die Zähne aufeinander, zog die Schultern ein und machte mich höchst angespannt auf die Situation gefasst, in der ich mich gleich befinden würde. Vielleicht würde ich im Kolosseum hocken, inmitten eines entsetzlichen, blutigen Kampfes auf Leben und Tod – ein Gemetzel, in dem Forken, Schwerter und von Pferden gezogene Streitwagen eingesetzt wurden. Und bei meinem Glück würde ich auch noch einem Rudel wilder, ausgehungerter Löwen gegenüberstehen.
Umso überraschter war ich, als ich mich nicht inmitten einer grauenhaften Schlacht befand, umgeben von einer johlenden, blutrünstigen Menschenmenge, sondern stattdessen in dem luxuriösesten Ankleideraum, den ich jemals gesehen hatte.
»Wow«, murmelte ich. Ich wollte nicht zu sehr beeindruckt erscheinen, aber das Wort entschlüpfte mir unwillkürlich. Ich hatte noch nie einen Raum gesehen, der diesem
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