Riley - Die Geisterjägerin - Noël, A: Riley - Die Geisterjägerin - N.N. 4 (nach "Radiance" - The Riley Series)
Theocoles, ein attraktiver Mann in einer Tunika, stand direkt vor ihr. Zwischen die beiden schien kein Blatt Papier mehr zu passen, und sie sahen sich voll Verlangen an.
Ich schloss rasch den Mund, bevor ich unwillkürlich keuchte oder aufschrie oder irgendetwas anderes tat, was ihnen meine Anwesenheit verraten hätte. Staunend betrachtete ich das Bild vor mir – dieser Anblick verlieh meinem Seelenfang eine völlig neue Bedeutung.
Trotz der vielen erheblichen Unterschiede in Statur und Rang – und obwohl sie zwei verschiedenen Welten angehörten – hatten sich Theocoles und Messalina ineinander verliebt. Und soweit ich das beurteilen konnte, waren sie das immer noch.
Aber gerade, als ich dachte, jetzt alles begriffen zu haben, nahm Theocoles eine andere Haltung ein.
Ich beugte mich noch weiter vor und presste meine Wange gegen das raue, abgesplitterte Holz, während ich
beobachtete, wie Theocoles sich in Stellung brachte und dann in die Luft sprang. Er streckte die Beine und ließ sein Schwert durch die Luft sausen, knapp an der Stelle vorbei, an der Messalina stand.
Und da begriff ich auch den Rest. Messalina hatte ihm in die Augen gesehen, aber Theocoles hatte ihren Blick nicht erwidert. Er war nach wie vor in seiner Welt gefangen und hatte an ihr vorbeigestarrt.
Doch Messalina gab nicht so leicht auf – sie blieb hartnäckig, denn ich konnte nun beobachten, wie sie seinen Stößen und Tritten auswich und in einem sorgfältig choreografierten Tanz um ihn herumsprang.
Sie rief laut seinen Namen und versuchte verzweifelt, den Meistergladiator dazu zu bringen, von ihr Notiz zu nehmen. Ihre Stimme wurde leiser, ihre Miene wirkte immer betrübter, da er sie weiterhin ignorierte und unermüdlich seine Übungen fortsetzte.
Die Szene wirkte so hoffnungslos und zog sich so lange hin, dass ich kurz davor stand, die Sache abzubrechen und mich auf den Rückweg zu machen, als Messalina plötzlich aufseufzte und zu seiner Pritsche hinüberging. Sie setzte sich auf den Rand, schlug anmutig die Beine übereinander und faltete sittsam die Hände. »Theocoles, ich wünschte, du würdest auf mich hören. Bitte überleg es dir noch einmal. Du musst das nicht tun, weißt du. Du musst das nicht durchhalten. Ich gebe dir gern das Geld, damit dieser Wahnsinn endlich ein Ende hat.«
Sie hatte das letzte Wort kaum ausgesprochen, als
Theocoles innehielt, sich umdrehte und sie anschaute. Es war, als hätte sich der Nebel um ihn verzogen, und er würde wieder klar sehen. Er ließ seine Hände sinken und beugte sich zu ihr vor. »Dein Angebot beleidigt mich – du erniedrigst mich damit!« Er schüttelte den Kopf, fuhr sich mit den Fingern durch sein Haar und richtete seine topasfarbenen Augen auf sie. »Glaubst du, ich sei es nicht wert? Glaubst du, ich hätte mich so weit vorangekämpft, so viele würdige Gegner niedergemetzelt, nur um eine große Schau aus meiner Niederlage zu machen?«
Als sie ihn ansah, war ihre Miene ausdruckslos, und ihre Antwort kam so schnell, dass ich sofort begriff, was hier vor sich ging.
Es war eine Aufführung.
Sie deklamierten Zeilen aus einer Szene, die sie schon unzählige Male gespielt hatten.
Theocoles ging so sehr in seiner Rolle auf, dass es für ihn wohl genauso war wie beim ersten Mal. Messalinas Worte dagegen klangen halbherzig und matt. Sie sprach so leidenschaftslos, als würde sie die Zeilen aus einem Drehbuch vorlesen.
Sie versuchte, eine neue Szene zu beginnen, um ihn an einen Tag jüngeren Datums zu bringen, aber Theocoles blieb mit seinen Gedanken in einer Vergangenheit, die er immer wieder nachvollziehen wollte. Und zwang damit Messalina, in eine Rolle zu schlüpfen, die sie vor langer Zeit gespielt hatte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Ich drückte mich noch stärker an die Tür, um kein
Wort zu verpassen. Wenn es sich um eine Szene handelte, die er immer wieder erleben wollte, war sie sicher von großer Bedeutung. Ich durfte mir nichts entgehen lassen.
»Du weißt, dass ich es nicht so gemeint habe. Ich kann es nur kaum erwarten, endlich unser gemeinsames Leben zu beginnen.« Messalinas Stimme klang leise und erschöpft.
»Das geht mir ebenso.« Er ging zu ihr hinüber, kniete vor ihr nieder und sah ihr in die Augen. »Alles was ich tue, tue ich in Vorfreude auf diesen Tag. Weißt du das denn nicht?«
Sie neigte den Kopf zur Seite und sah ihn zweifelnd an. »Du tust das alles nur für mich?« Sie schürzte die Lippen und wickelte eine lose Haarsträhne um ihren
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