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Riley - Im Schein der Finsternis -

Riley - Im Schein der Finsternis -

Titel: Riley - Im Schein der Finsternis - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël , Ulrike Laszlo
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kritzelte.
    Ich musterte sie aufmerksam und betrachtete ihr Haar, das ihr über die Schultern fiel, ihren Rucksack, den sie an ein Stuhlbein neben sich gelehnt hatte, ihre Stiefel, die mit einer dünnen Schicht Schlamm verkrustet waren, und ihren violetten Kugelschreiber, der über ein liniertes Blatt Papier flog. In meinen Gedanken wirbelten Worte herum, Feststellungen, Dinge, die ich ihr liebend gern sagen würde, aber ich wusste, dass ich das nie tun würde.
    Ich hatte zu große Angst, auf sie zuzugehen, also entschloss ich mich, sie stattdessen zu beobachten. In meinem Kopf schwirrte ein Wirrwarr von Bildern herum, eine lange Reihe von Schnappschüssen und Worten. Ich versuchte, diese wahllosen Stücke aus Bodhis Erinnerung, das willkürlich zusammengestellte Sammel-album seines Gehirns, zu sortieren.
    Ich wusste, dass es sich bei diesem Mädchen um Nicole handelte – dasselbe Mädchen, das ihn in die Seifenblase gelockt hatte –, aber ich wusste nicht, was seine Wut hervorgerufen haben könnte. Ich meine, um Rebecca in ihrer Welt in die Falle zu gehen, musste man sich über irgendetwas richtig aufregen. Und zumindest bis jetzt hatte ich nichts, aber auch gar nichts entdeckt, was es wert gewesen wäre, eine solche Wut zu entwickeln.
    Ich meine, war es die Art und Weise, wie sie ihn ignorierte?
    Die Art, wie sie vorgab, ihn nicht zu bemerken, obwohl er sich so sehr bemühte, immer dort zu sein, wo sie sich befand?
    Während ich natürlich nicht für Bodhi sprechen kann, kann ich sagen, dass mir persönlich das alles ein wenig lächerlich vorkam. Und da ich nicht zu den geduldigsten Menschen auf dieser Welt gehöre – davon bin ich weit entfernt –, begann ich, wenn ich die Wahrheit sagen darf, mich nicht nur ein wenig über ihn aufzuregen.
    Ich war so genervt, dass ich beschloss, in Windeseile seinen Körper zu verlassen und zu versuchen, einen anderen Weg zu finden, um zu ihm vorzudringen. Wenn seine ganze Welt so dunkel und düster geworden war, musste ich meine Augen zusammenkneifen und meine Ohren spitzen, um irgendeinen Sinn darin zu sehen.
    Aber es gab nur vier Dinge, die ich genau sehen konnte:
    Erstens, eine Glocke. Zweitens, ein Mädchen. Drittens, einen Jungen. Viertens, eine Leiche.
    Diese vier Bilder wiederholten sich in rascher Abfolge immer wieder wie in einem ständigen Kreislauf. Aber so oft ich sie mir auch ansah – sie ergaben nicht mehr Sinn als beim ersten Durchlauf.
    Eine Glocke, ein Mädchen, ein Junge, eine Leiche …
    Nur ein rasches Aufblenden jedes Bilds, immer wieder.
    Und gerade als ich kurz davor war, dieses Aufblitzen keine Sekunde länger zu ertragen, wurden die Bilder klarer, nahmen schärfere Konturen an, bis sie sich schließlich einigermaßen ordentlich aneinanderreihten. Aber das machte es auch nicht leichter.
    Die Glocke läutete so laut, dass ich bei dem Klang zusammenzuckte.
    Ich sah zu, wie die Tür eines Klassenzimmers aufflog und ein Mädchen – Nicole, wie ich erkannte – herausstürmte. Sie ließ die Schultern hängen und hatte den Kopf so weit nach vorne geneigt, dass ihr Haar über ihre tränenüberströmten Wangen fiel. Die Tränen flossen wegen der langen Reihe von Beschimpfungen, die ihr entgegengeschleudert worden waren.
    Es überraschte mich nicht im Geringsten, als ich mein eigenes Spiegelbild in einem der Fenster flüchtig zu sehen bekam und begriff, dass ich – äh, ich meine Bodhi – der Junge war. (Ich meine, schließlich war es seine Erinnerung, die ich gerade vor mir sah.) Trotzdem war es eine Ausgabe von Bodhi, die ungewohnt für mich war.
    Obwohl sein äußeres Erscheinungsbild mehr oder weniger gleich war – vielleicht ein wenig robuster, weniger durchscheinend, als er normalerweise aussah –, war es total komisch, ihn als lebenden, atmenden Menschen zu sehen, der weder fliegen konnte noch glühte und keine Ahnung hatte, dass er beides eines Tages tun würde.
    Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er so unglaublich unsicher und verlegen war und vollkommen damit beschäftigt, cool rüberzukommen. Es fiel mir schwer, ihn dabei zu beobachten – und noch schwerer, er zu sein –, ohne mich nicht für ihn zu genieren. Und das nicht zu knapp.
    Aber schon nach einem kurzen Moment stand Nicole wieder im Blickpunkt.
    Sie weinte immer noch.
    Wurde immer noch verfolgt.
    Und nach wie vor gemobbt von einer Gruppe aus ihrer Klasse, die ihr überallhin folgte.
    Ihre Schulkameraden schikanierten sie auf eine Weise, die zeigte, dass das nicht nur ein

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