Riley - Im Schein der Finsternis -
drängten, jede in ihrer eigenen Hölle gefangen und gequält.
Ich ging zwischen ihnen hindurch und fragte mich, was aus dem Prinzen geworden war, während ich Ausschau nach Bodhi und Buttercup hielt. Ich konnte es kaum erwarten, sie auf die gleiche Weise zu befreien, wie ich befreit worden war. Ich schob mich durch das Gedränge, vorbei an einem endlosen Kreislauf von Schmerz und Elend und jahrhundertealtem Leid, während ich mich verzweifelt bemühte, mich auf das zu konzentrieren, was ich gerade gelernt hatte und was ich jetzt nicht vergessen durfte. Währenddessen versuchte ich, meine aufsteigende Panik zu unterdrücken und gegen meine eigenen düsteren Impulse anzukämpfen.
Und dann blieb ich plötzlich stehen. Direkt in diesem Chaos, inmitten von all diesem unaufhörlichen Schmerz. Ich überlegte mir, dass ich, wenn wir wirklich alle miteinander verbunden waren, nicht weit laufen musste. Wenn ich überhaupt noch weitergehen musste. Ich sollte eigentlich einfach dort bleiben, wo ich mich befand, die Ruhe bewahren und mich in aller Stille auf diese Seifenblase der verlorenen Seelen einstimmen. Und, wie der Prinz gesagt hatte, deren Geschichten auf mich zukommen lassen.
Also schloss ich meine Augen und versuchte, den Nebel aus fieberhafter Energie zu durchblicken, um meinen Hund und meinen Führer ausfindig zu machen.
Glücklicherweise kann ich berichten, dass es nicht allzu lang dauerte, Bodhi zu finden – zu ihm vorzudringen war jedoch eine ganz andere Sache.
SECHZEHN
I ch zögerte, weil ich nicht wusste, wie ich jetzt weitermachen sollte. Ich beobachtete Bodhi, der mich immer noch nicht wahrnahm.
Er runzelte die Stirn, presste seine Hände an die Seiten und ballte sie zu Fäusten. Seine Lippen zitterten, und er knirschte so laut mit den Zähnen, dass ich seinen Wortschwall nicht verstehen konnte.
Mir war klar, dass es ihm wahrscheinlich nicht gefallen würde, und dass er, sobald er aus dieser Qual, die sich gerade in seinem Kopf abspielte, befreit war, irgendeine fadenscheinige Entschuldigung dafür finden würde, mich dafür zu beschimpfen, dass ich in seine Privatsphäre eingedrungen war. Oder er würde mich für irgendeinen anderen Verstoß gegen die Regeln tadeln, erfunden oder auch nicht. Trotzdem ging ich auf ihn zu.
Ich bewegte mich Zentimeter für Zentimeter auf ihn zu, bis ich nahe genug vor ihm stand, um nach seiner geballten Faust zu greifen und sie in meine Hand zu nehmen. Ich ließ meine Energie strömen, so dass sie sich mit seiner vermischen konnte, bis ich meinen Weg in seinen Kopf gefunden hatte.
Zunächst war es unmöglich, irgendeinen Sinn zu erkennen. Es herrschte große Unordnung und Chaos, und alles war total verwirrend – wie ein absolut unordentliches Schlafzimmer, in dem sich riesige Stapel von Papier, Kleidung und Büchern häuften und der gesamte Boden mit Krimskrams übersät war. Es dauerte eine Weile, bis ich mir einen Überblick verschaffen konnte.
Im Gegenteil zu meiner Gedankenwelt – und meinem Zimmer! –, die beide immer mehr oder weniger aufgeräumt und ordentlich gewesen waren, war das hier nicht einmal annähernd der Fall. Also drang ich so tief ein, dass es beinahe so war, als würde ich er werden.
Ich fühlte mich riesig, plump und ungeschickt, als ich versuchte, mich an den Gedanken zu gewöhnen, in seinem Körper zu sein und alles so vor mir zu sehen, als würde es tatsächlich mir selbst passieren. Alles war so durcheinander und verwirrend, und ich konnte lediglich eine Schule erkennen.
Aufgrund der Spinde und der handschriftlichen Notizen, verteilt über die gesamte Wand des Ganges, in dem ich stand – alle wiesen auf Footballspiele, Kuchenbasare und demnächst stattfindende Tanzveranstaltungen hin –, schloss ich, dass ich mich in einer Highschool befand.
Kurz nachdem ich das endlich begriffen hatte, rannte ich los. Meine Beine waren viel kräftiger als die kurzen, dünnen, die ich gewohnt war. Ich raste hinter einem Mädchen her, dessen langes dunkles Haar auf eine Weise auf und ab wippte, die mich, wie ich mich selbst glauben machte, einladen sollte, ihr zu folgen.
Sie witschte um eine Ecke und rannte in eine Bücherei, und ich blieb ihr in geduckter Stellung dicht auf den Fersen. Ich versteckte mich hinter den hohen Bücherregalen und beobachtete sie. Ein Teil von mir hoffte, dass sie mich entdecken würde, ein anderer wollte, dass sie es nicht tat, denn ich wünschte mir nichts mehr, als zu sehen, was sie so hastig in ihr Notizbuch
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