Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
nicht sehen kannst. Stell dir diese Wand als deine parapsychologische Abwehr vor.«
Es war schwieriger, als ich gedacht hatte. Ich hatte meine geistigen Schutzschilder stets als selbstverständlich hingenommen. Ich hatte sie meinem Erbgut zu verdanken, sie waren angeboren. Mit den Jahren waren sie deutlich stärker geworden. Als Rhoan Wächter geworden war, hatte er mir beigebracht, wie ich sie senken konnte, aber das war es auch schon mit der Ausbildung. Niemand hatte mir je erzählt, dass ich »Türen« erschaffen konnte. Womöglich konnte das ja auch nicht jeder.
Mir lief der Schweiß über das Gesicht, und ich unterdrückte den Drang, ihn wegzuwischen. Die dunkle Ebene nahm Gestalt an, ebenso die Wand. Sie war rot, war endlos und schien leicht zu glänzen. »Jetzt«, fuhr Quinn leise fort, »stell dir an der linken Ecke der Wand eine Tür vor.« »Die Wand hat kein Ende.« »Entweder hast du dir das Ende nicht vorgestellt, oder du hast übersinnliche Fähigkeiten, die du noch gar nicht bemerkt hast. Stell dir die Tür einfach so weit links vor, wie du kannst, ohne dich zu bewegen.«
Wieder tat ich, was er gesagt hatte, doch ich zitterte vor Anstrengung.
»Jetzt stoße die Tür auf, und stell dir vor, ich stehe dahinter.«
Ich holte tief Luft und stellte mir vor, wie die Tür langsam aufging. Es war, als wollte ich einen Berg bewegen. Ich drückte und drückte. Endlich flog sie mit einem Schnappen auf, und ich fiel flach auf mein übersinnliches Gesicht. Ich sah auf, stellte mir vor, dass Quinn dort stand und stellte mir vor, dass er lachte. Und auf einmal lachte er, nicht laut, aber tief in seinem Inneren. Es war ein warmes Streicheln, das meine Seele berührte, mehr als ein Streicheln, intensiver als Sex.
Niemand ist jemals durch eine Tür gefallen.
Seine geistige Stimme war genauso voll und erotisch wie seine normale, wobei ich nicht genau wusste, wieso mich das überraschte.
Nun, ich habe noch nie gern das Offensichtliche getan. Ich sammelte mein übersinnliches Ich vom Boden auf und fügte hinzu: Diese Tür bleibt nun also offen, bis einer von uns beiden sie wieder schließt?
Ja, aber ich glaube, es ist am besten, wir schließen sie gleich wieder, nämlich deshalb, weil du ein Wolf bist und deine Aura kurz vor dem Höhepunkt ist. Öffne sie in dem Moment, in dem wir Genoveve betreten.
Das hieß, dass er doch nicht so immun gegen meine Aura war, wie er tat? Darüber war ich nicht gerade traurig. Wie mache ich sie denn zu?
Stell dir einfach nur vor, du würdest die Tür schließen, und dann ist sie zu.
Daran war nichts ›einfach‹. Diese übersinnliche Tür wieder zu schließen, war kein Stück leichter, als sie zu öffnen. Aber vielleicht hatte das damit zu tun, dass ein Teil von mir nicht so rasch die Intimität aufgeben wollte. Der letzte Spalt wurde mit einem Knall geschlossen, als ob jemand der Tür von der anderen Seite einen Schubs gegeben hätte. Ich schnappte nach Luft und öffnete die Augen. Unsere Blicke trafen sich, er sah mich warm und verführerisch an.
Ich nahm meine Hand von seiner Schläfe. »Es muss wundervoll sein, auf diese Art miteinander zu schlafen.« Er hob eine Braue und ließ die Finger von meiner Schläfe zu meiner Wange gleiten. »Hast du noch nie mit einem anderen Medium geschlafen?«
»Nun, offensichtlich schon, denn du hast übersinnliche Fähigkeiten, und heute Abend habe ich entdeckt, dass Misha ebenfalls welche besitzt. Aber mir hat noch nie jemand vorgeschlagen, die Schutzschilder fallen zu lassen und den Geist so miteinander zu verbinden wie unsere Körper.« »Es ist eine wunderbare Erfahrung.«
Seine Finger ruhten warm auf meiner Wange und erfüllten mich mit Verlangen und … Liebe. Mein Herz schlug so laut, dass ich sicher war, man könnte es im Wohnzimmer hören. Ich räusperte mich und schaffte es irgendwie zu stottern: »Ich nehme dich beim Wort.« »Vielleicht … eines Tages …«
Er brachte den Satz nicht zu Ende, weil sich unsere Lippen berührten. Dieser Kuss übertraf alles, was ich jemals erlebt hatte – selbst mit ihm. Es war ein enthemmter, erotischer Kuss, der leidenschaftlich und zärtlich zugleich war. Und er räumte ein für alle Mal mit der Lüge auf, dass er nur Sex von mir wollte. Niemand konnte so küssen und behaupten, es hätte nur mit Sex zu tun.
Dennoch würde er es nicht zugeben, und ich war sicher, dass er am Ende dieses Auftrags verschwinden würde. Das war ziemlich frustrierend.
Ich löste mich von ihm. Wir atmeten beide
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