Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
ihn und haben ihn einfach entkommen lassen.« »Jetzt hat er wahrscheinlich schon das Land verlassen. Verdammt!« Rhoan saß auf der Sofalehne und legte mir einen Arm um die Schultern. »Wir werden ihn niemals finden.« »O doch, das werden wir«, erklärte Quinn leise. »Er ist heute Abend im Blue Moon gewesen und hat Misha und Riley beobachtet. Er war wütend.«
»Interessant«, murmelte Jack. »Dann hat er offenbar noch ein gewisses Interesse an Riley. Vielleicht können wir das irgendwie nutzen.« »Nein«, protestierten Rhoan und Quinn gleichzeitig. Jack ignorierte sie und starrte mich an. »Es geht hier um weit mehr als irgendeinen Werwolf und eine Firma, aber im Moment ist er unsere einzige Spur. Wir müssen Talon schnappen und ihn verhören.«
»Einverstanden.« Rhoan spie das Wort förmlich aus. »Aber wieso muss Riley schon wieder den Lockvogel spielen? Sie hat mehr als genug für Rudel und Land getan.« »Das weiß ich.« Jack klang zerknirscht, was sich allerdings nicht in seinen grünen Augen widerspiegelte. »Aber Talon ist nicht an dir oder mir interessiert. Und wegen Gautiers Einfluss trauen wir momentan keinem anderen Wächter.«
»Wir wissen, wo Genoveve-Süßwaren liegt. Wieso machen wir nicht einfach eine Razzia in dem verdammten Schuppen?« »Weil wir nicht wissen, wo die Eingänge zu den unterirdischen Anlagen liegen, und bis wir die gefunden haben, sind die Beweise vermutlich längst vernichtet.«
Ich nippte an meinem Kaffee und hielt Jacks Blick stand. Mir war klar, dass er mich noch ein bisschen mehr einwickeln wollte, doch wie immer man die Dinge drehte und wendete – er hatte recht. Deshalb war ich ja auch schon ins Blue Moon gegangen. Wer hinter dieser Angelegenheit steckte, musste aufgehalten werden. Dürfte ich feige kneifen, wenn ich dabei helfen konnte, den Schuldigen zu erwischen?
Und außerdem: War es sicherer, einfach zu verschwinden? Als ich damals an der Bahnstation überfallen worden war, hatte ich absolut nichts mit den Ermittlungen zu tun gehabt. Vielleicht wurde alles nur noch schlimmer, wenn ich mich aus dem Staub machte.
Außerdem hatte der Wolf in mir genug und wollte sich rächen. Und zwar richtig.
»Vergiss nicht, dass bereits zehn Wächter gestorben sind, mit Kelly vielleicht sogar schon elf«, fügte Jack hinzu. Er sprach mit Rhoan, sah mich dabei aber unverwandt an. Ich schloss die Augen und wollte nicht an die anderen Wächter denken. Ich wollte nicht darüber nachdenken, dass Kelly womöglich inzwischen auch dazugehörte.
Verdammt, das durfte einfach nicht sein. Ich schloss nicht so schnell mit jemand Freundschaft. Sicher war das Schicksal nicht so grausam, mir meine einzige echte Freundin wegzunehmen.
»Wir müssen dem ein Ende setzen«, erklärte Jack nachdrücklich. »Riley ist noch nicht einmal Wächterin!« Rhoan sprang mit geballten Fäusten auf und war außer sich. »Wie zum Teufel kannst du annehmen, dass sie etwas überlebt, was die anderen nicht überlebt haben?« »Weil sie eine Überlebenskünstlerin ist«, erwiderte Jack bissig. »Weil sie genau wie ihr Bruder ein WerVampir ist. Das ist mehr wert, als ihr beide wahrhaben wollt.«
»Diese Riley sitzt übrigens ebenfalls hier in diesem verdammten Raum«, unterbrach ich die beiden. »Rhoan, beruhige dich, und setz dich hin. Jack, gib mir nur die verfluchte Chance, meinen Kaffee auszutrinken und Luft zu schnappen, okay?«
Mit dem Kaffee in der Hand stand ich auf und trat hinaus auf den Balkon. Die Nachtluft war eisig kalt, und ich atmete tief ein. Meine Angst konnte ich dadurch allerdings nicht vertreiben. Meine Aufgabe machte mir keine Angst, aber ich hatte Angst, wie ich wohl werden würde.
Ich lehnte an dem schmiedeeisernen Balkongitter und genoss den köstlichen Haselnusskaffee. Der Wind raschelte in den Bäumen, fuhr mir wie eine Geisterhand über den Nacken, und meine Nackenhaare richteten sich auf. Ich schloss die Augen und versuchte, mich von der nächtlichen Kälte und den hellen Sternen beruhigen zu lassen.
Ich hörte kein Geräusch, doch auf einmal überdeckte der intensive Geruch von Sandelholz den von Haselnuss und sagte mir, dass ich nicht länger allein war. Er lehnte ein kleines Stück neben mir ebenfalls an der Balustrade, nah genug, dass seine Hitze auf meiner Haut brannte.
»Ist es der Mond?«, fragte er sanft. »Teilweise. Jack scheint vergessen zu haben, dass sich Rhoan, Liander und ich morgen Nacht in Wölfe verwandeln.« »Bis dahin ist es sicher vorbei.« Ich öffnete
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