Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
nachgelassen, und ich konnte nur Atemgeräusche einer Person ausmachen. Wahrscheinlich war das meine Chance zu entkommen. Ich senkte leicht meine Schutzschilder und versuchte, die Gedanken des Mannes zu lesen. Anders als die Wächter in Moneisha war der hier allerdings geblockt. Ich fluchte leise. Das machte eine Flucht extrem schwierig. Dann konnte ich nur noch versuchen, den Mann irgendwie auf mich aufmerksam zu machen und zu mir auf den Rücksitz zu locken.
Und wie konnte ich das am besten erreichen? Natürlich indem ich ein bisschen Busen zeigte. Ich bewegte eine Hand. Wieder klirrte Metall gegen Metall. Offensichtlich war ich angekettet und nach dem Brennen an meinen Handgelenken und Knöcheln zu urteilen, waren die Ketten aus Silber. Solange ich die hatte, konnte ich mich nicht in einen Wolf verwandeln.
Der Mann vorn im Wagen bewegte sich. Ich hielt still und wartete, bis das Quietschen des Sitzes darauf hindeutete, dass er sich wieder etwas anderem zugewandt hatte. Langsam und vorsichtig knöpfte ich meinen Mantel auf und zog den Pullover hoch. Nachdem meine Brüste entblößt waren, schlug ich die faulig riechende Decke zurück. Ich hielt die Augen geschlossen und atmete ruhig und gleichmäßig, als wäre ich immer noch bewusstlos.
Wieder quietschte der Sitz, dann holte jemand lautstark Luft. Um mich herum war heftiges Verlangen zu spüren, die Lust war so stark wie bei einem Wolf. Einige Sekunden lang passierte nichts. Dann schaukelte der Wagen ein bisschen, und der Mann stieg zu mir auf den Rücksitz. Der Geruch von Minze und Tod wurde so stark, dass ich unwillkürlich die Nase rümpfte. Als ich ihn so deutlich roch, wurde mir mulmig. Dieser Mann war kein Mensch, kein Wolf und auch kein Gestaltwandler oder Vampir. Er war etwas anderes, etwas, das mir noch nie zuvor begegnet war.
Doch was auch immer er war, er würde sterben. Seine Hitze streichelte meine Haut. Er atmete stoßweise, und der Geruch seiner Lust war so stark, dass er das Mondfieber in mir weckte. Er zögerte. Ich öffnete einen Schlitzbreit die Augen und beobachtete, wie er die Hand nach mir ausstreckte. Seine Augen waren schmutzig braun und strahlten gierige Entschlossenheit aus. Um seinen Hals hing ein dünnes Stück Draht – die Abwehr gegen die Gedankenkontrolle. Wenn ich den zu fassen bekam, gehörte sein Gehirn mir.
Er fuhr mit den Fingern über meine Brüste, seine Berührung fühlte sich heiß und irgendwie eklig an. Mir kam die Galle hoch, aber ich widerstand dem Drang, mich zu bewegen. Er lächelte und zeigte dabei seine Zähne, die genauso spitz waren wie bei einem Vampir, aber schwarz gefleckt und verfault. Es dauerte einen Augenblick, bis ich realisierte, dass seine Zähne gerade länger wurden. Er wollte von mir trinken … von meinen Brüsten. Ich rappelte mich hoch und schlug mit einer Hand so fest ich konnte gegen seine Luftröhre. Er gab ein gurgelndes Geräusch von sich, riss die Augen weit auf und schnappte nach Luft.
Ich ließ ihm keine Zeit zum Nachdenken, keine Zeit zu reagieren, sondern riss den Draht von seinem Hals und hätte ihn dabei beinahe erdrosselt. Als der Draht ab war, senkte ich meine Schutzschilder, drang in seinen Kopf ein und übernahm schnell die Kontrolle. Ich schob ihn zurück gegen die Autowand. Mein verwundeter Arm brannte, und mir trat der Schweiß auf die Stirn. Ich konnte nicht besonders kräftig zupacken und musste die Hand wechseln. Das Rasseln der Ketten mischte sich mit dem Keuchen des Fremden.
Ich ignorierte meine Schmerzen, packte mit der freien Hand sein Gesicht und zwang ihn, mich anzusehen. »Wo ist der andere Mann hingegangen?« »Aufs Klo«, erwiderte er mit ausdrucksloser Stimme und sah mich aus seinen toten Augen an. Dann blieben mir höchstens noch fünf Minuten. »Wo ist der Schlüssel für die Ketten?« »Den hat er.« Ich fluchte leise. »Wo sind wir?« »An einer Raststätte in der Nähe von Seymour.«
Das war nur ungefähr fünfundvierzig Meilen von Melbourne entfernt. Offensichtlich hatte ich doch nicht so viel von der Elefantendosis abbekommen, denn ich hatte noch nicht einmal eine Stunde geschlafen. »Wo sind die Schlüssel für den Wagen?« »Im Zündschloss.« »Setz dich auf den Beifahrersitz.« Er gehorchte. Ich wischte mir den Schweiß aus den Augen und merkte an dem Pochen dahinter, dass ich die Kontrolle nicht sehr lange aufrechterhalten konnte.
Ich warf die Decke von mir und sah hinunter auf die Ketten. Sie waren eindeutig aus Silber, nicht aus Metall, aber
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