Riley Jenson 01 - Die Mondjägerin
glücklicherweise waren sie nicht an das Auto gekettet. Sie wollten mich behindern, hatten aber nicht damit gerechnet, dass ich aufwachen könnte, bevor sie ihr Ziel erreicht hatten. Ich zog meinen Pullover herunter, kletterte ins Vordere des Wagens und startete den Motor.
»Wo wolltet ihr mich hinbringen?« »Erst nach Genoveve, dann nach Libraska.«
Der erste Name sagte mir irgendetwas. Ich hatte ihn schon einmal irgendwo gehört, doch momentan hatte ich keine Zeit, weiter darüber zu grübeln oder ihn zu fragen. Ich musste fliehen, bevor der zweite Mann zurückkam, denn ich hatte so meine Zweifel, dass ich zwei von ihnen in Schach halten konnte.
»Hast du ein Telefon? Dann gib es mir.« Er tat es. »Hat der Mann auf der Toilette auch eins?« Er nickte. Ich fluchte leise. In der Minute, in der ich mit dem Wagen abhaute, würden sie ihren Vorgesetzten Bericht erstatten, und ich konnte nichts dagegen tun. Meine Gedankenkontrolle hatte ihre Grenzen, und ich würde nicht darauf warten, dass ich das zweite Telefon zerstören konnte. Das war es nicht wert. »Steig aus und geh auf die Toilette.«
Wieder gehorchte er. Ich beugte mich quer über den Sitz, schloss die Tür und legte den Rückwärtsgang ein. Die Reifen quietschten, und aus dem Augenwinkel sah ich jemand mit den Hosen in den Kniekehlen aus der Herrentoilette hüpfen.
Ich grinste finster, setzte den Wagen in Gang und fegte davon. Die Kontrolle über den anderen Mann riss unvermittelt ab, was mir wie ein schmerzhafter Ruck durch den ganzen Körper fuhr. Durch einen Tränenschleier hindurch sah ich im Rückspiegel, dass der zweite Mann mir folgte. Er rannte mit der unglaublichen Geschwindigkeit eines Vampirs. Ich trat das Gaspedal durch. Der alte Wagen ruckte und stieß eine Rauchwolke aus, dann beschleunigte er, und ich raste mit großer Geschwindigkeit vom Rastplatz auf den fließenden Verkehr des Hume Highway zu.
Mit einem erneuten Blick in den Rückspiegel stellte ich fest, dass der zweite Mann beinahe die hintere Wagentür erreicht hatte. Ich konnte wohl kaum noch mehr aus der Karre herausholen, also tat ich das Naheliegende und scherte von dem Beschleunigungsstreifen direkt vor einem anderen Auto ein. Hinter mir hörte ich Reifenquietschen. Ich sah einen Ford zur Seite schliddern und gegen das Heck des Wagens stoßen. Ich wurde nach vorne geworfen, und während ich mich bemühte, den Wagen in der Spur zu halten, schoss der Ford auf den Wächter zu und schleuderte ihn nach oben, so dass er über die Kühlerhaube flog. Er landete zwischen dem Beschleunigungsstreifen und der linken Spur auf der Fahrbahn und rührte sich nicht.
Ich gab Gas. Ich war frei. Jetzt musste ich nur irgendwie zurück zu meinem Bruder kommen. Doch das konnte ich unmöglich mit diesem Wagen. Nach dem Unfall und nachdem die Hintermänner der Entführung zweifellos über meine Flucht informiert worden waren, war der Schlitten definitiv zu heiß. Ich nahm die Ausfahrt nach Seymour und drosselte die Geschwindigkeit ein bisschen. Ich konnte es jetzt überhaupt nicht gebrauchen, von der Polizei angehalten zu werden. Ich fuhr durch die Stadt und bog am Stadtrand in eine Seitenstraße ab. Ich folgte ihr bis zu einer Kreuzung. Nachdem ich in beide Richtungen gesehen hatte, fuhr ich nach rechts auf einen Waldweg, der in den Bäumen verschwand.
Als ich von den Bäumen gut geschützt war, fuhr ich an den Seitenrand und hielt an. Erst jetzt reagierte ich mit Verzögerung auf das eben Erlebte. Einige Sekunden regte ich mich überhaupt nicht, zitterte am ganzen Körper, rang nur nach Luft und schluckte Galle. Schließlich schaffte ich es, mich zu bewegen. Ich nahm das Telefon und öffnete die Tür. Die Ketten an meinen Beinen waren so kurz, dass ich nicht normal aussteigen konnte, sondern aus dem Wagen springen musste.
Es wurde bereits Abend. Der Himmel hinter den Eukalyptusbäumen färbte sich rötlich. In der Ferne hörte ich Kühe muhen und Wasser rauschen, die Luft war kühl und roch nach Eukalyptus und Gras. Ich schob das Telefon in die Tasche und ging auf das Wasserrauschen zu, denn ich brauchte dringend etwas zu trinken. Außerdem musste ich von dem Wagen wegkommen. Aber es ist anstrengend, durch Unterholz mit Fesseln zu stapfen. Als ich schließlich den Fluss erreicht hatte, war mein Hals vollkommen ausgedörrt, mein Kopf pochte, und meine Muskeln rebellierten bei jedem Schritt. Um mich herum schienen die Bäume einen verrückten Tanz aufzuführen.
Ich ließ mich an dem schlammigen
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