Riley Jenson 02 - Wächterin des Mondes
Mann und seinem Tod davonzurennen. »Ja.« Es war kaum mehr als ein Zischen. »Dann sag mir, wieso du die Frau umgebracht hast.« Es war ganz schrecklich, aber ich brauchte wenigstens eine einzige Antwort. Ich konnte es kaum ertragen, ihn so leiden zu sehen und schloss kurz die Augen. »Die Abteilung … zu nah dran«, keuchte er. »Glieder abhacken, Kopf retten.«
Ich fragte ihn gar nicht erst nach dem Namen des Kopfes. Der hier hatte ihm lediglich als Waffe gedient. Stattdessen stand ich auf und wich vor seinem schmelzenden, dampfenden Körper zurück. Unsere Blicke trafen sich, seine grauen Augen flehten mich an. Ich gab nach und schoss. Sein Kopf explodierte. Aus. Dennoch löste sich sein Körper weiterhin auf und hinterließ nichts als verbranntes Gras und dampfende Erde. Eine Erinnerung, die mich die nächsten Monate verfolgen würde.
Ich griff den Rucksack, hüllte mich in Schatten und lief davon, bevor ich doch noch die Kontrolle über meinen Magen verlor.
Aber vielleicht war es gar nicht der Tod des Fremden, der mir so zu schaffen machte, sondern vielmehr das Gefühl, wie leicht es mir gefallen war abzudrücken. Ich hatte ein Talent zu töten, das hatte ich vor zwei Monaten in Genoveve bewiesen. Nicht dass ich seither viel darüber nachgedacht hätte. Vermutlich weil es damals Notwehr gewesen war. Das hier war etwas vollkommen anderes. Auch wenn ich es aus Mitleid getan hatte. Ich hatte ohne Skrupel und ohne mit der Wimper zu zucken abgedrückt. Und ich hatte dabei zugesehen.
Jeder Werwolf besaß den Trieb zu töten, er war aber schon lange zivilisiert und unter Kontrolle gebracht worden. Bei Rhoan und mir versagte die Kontrolle jedoch irgendwie. Rhoan hatte das bereits früh bemerkt und seinen Trieb durch seine Arbeit als Wächter kanalisiert. Ich hatte ihn ignoriert.
Aber vielleicht jetzt nicht mehr.
Oder machte ich wieder einmal aus einer Mücke einen Elefanten? Rhoan würde das wahrscheinlich bejahen. Aber ich war mir da nicht so sicher. Ich hatte das dumme Gefühl, dass vor zwei Monaten etwas ausgelöst worden war, das sich nicht mehr rückgängig machen ließ.
Ich schüttelte mich und schob den Gedanken beiseite. Es war etwas effektiv anderes, ob man jemand aus Mitleid umbrachte oder im Auftrag ermordete. Das musste ich mir klarmachen.
Ich stieß die Luft aus, blieb stehen, baute das Gewehr auseinander und verstaute die Einzelteile in dem Rucksack. Ich hing ihn über meine Schulter, blickte mich um und hielt nach dem erstbesten Telefon Ausschau. Ich hatte meins im Auto gelassen und hätte bis dort nur wenige Minuten gebraucht, aber ich musste Jack sofort anrufen und warnen, dass der Mann, der hinter allem steckte, die Glieder …
Ich blieb abrupt stehen. Er tötete zu seinem Schutz die wichtigsten Mitglieder der Organisation. Dazu gehörte auch Misha.
Wenn ich nicht vor ihnen bei ihm war, war unsere einzige Chance, an den Namen des Anführers zu kommen, dahin. Gestorben, wie die Frau in dem Restaurant und wie der Mann, der sie erschossen hatte.
Ich griff meine Kleidung und lief so schnell ich konnte zum Wagen. Ich schloss die Tür auf, griff das Telefon, wählte Mishas Nummer und wartete auf Antwort. Es schien ewig zu dauern. Es sprang ein Band an.
Verdammt, verdammt, verdammt.
Ich donnerte die Tür zu, startete den Wagen und knallte den Gang rein. Ich trat das Gaspedal durch und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Sicher hatten die Cops mein Kennzeichen notiert. Ich wählte Rhoans Nummer. Bei ihm war besetzt. Ich fluchte und schickte ihm stattdessen eine SMS. Hoffentlich sah er sie, bevor es zu spät war. Auch bei Jack war besetzt. Ich sendete ihm eine Nachricht, erklärte ihm, was ich vorhatte und warum, warf das Telefon anschließend auf den Beifahrersitz und konzentrierte mich auf die Fahrt.
Ich brauchte zwanzig Minuten bis zur Lygon Street und wenn ich behauptete, ich hätte den Geschwindigkeitsrekord des Landes gebrochen, war das noch untertrieben. Ich parkte in einer Ladezone, griff den Rucksack und mein Telefon und lief auf das Rocker zu.
Der Wachmann hob eine buschige Braue und sah mich fragend an. »Du scheinst es ziemlich eilig zu haben.« Ich blieb abrupt stehen. »Ich muss Misha Rollins finden. Ist er zufällig dort drinnen?« »Meine Schicht hat gerade erst angefangen, deshalb kann ich …« »Danke«, fiel ich ihm ins Wort und drängte mich an ihm vorbei. An der unteren Bar war es nicht voll, doch ein paar Leute warteten auf ihre Getränke. Misha war nicht darunter. Ich
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