Riley Jenson 02 - Wächterin des Mondes
hier hinein.« »Wir verlieren unnötig Zeit, Misha.«
Der Wachmann verzog keine Miene, sondern beobachtete nur aufmerksam seinen Bildschirm. Als ein Piepton ertönte, nickte er dem anderen Wächter zu und öffnete die Tür. Ich fragte mich, ob diese zwei Männer zu Mishas viel gepriesenem Sicherheitssystem gehörten. Wenn ja, würde ich ihn nicht in dieser Festung lassen. Ich hätte beide Kerle problemlos umlegen und in das Gebäude eindringen können.
Einer der Sicherheitsbeamten folgte mir nach innen und rief den Fahrstuhl. Als die Türen auseinanderglitten, beugte er sich nach vorn, drückte den Knopf für die sechste Etage, zog seine Schlüsselkarte durch den Schlitz und schenkte mir ein Lächeln. »So kommen Sie direkt in das richtige Stockwerk. Mr. Rollins’ Büro ist das letzte auf der linken Seite.« Ich nickte ihm dankend zu und trat hinein. Sobald sich die Türen hinter mir geschlossen hatten, nahm ich den Rucksack ab, baute das Gewehr zusammen und steckte es wieder in die Tasche. Vorsicht war besser als Nachsicht.
Der Aufzug hielt, und die Türen fuhren auseinander. Ich trat hinaus. Der Flur war lang und extrem schattig. Das Licht, das aus dem Fahrstuhl in den Flur fiel, flackerte, als wären die Schatten aus dichtem Nebel. Am anderen Ende des Flurs befand sich eine Eisentür, durch die kein Licht nach außen drang. Sie schien vollkommen abgedichtet zu sein. Dort unten wirkten die Schatten noch dichter.
Mir war gar nicht wohl. Ich griff hinter mich und zog das Gewehr aus dem Rucksack.Vielleicht waren es meine Nerven, vielleicht auch nicht, jedenfalls hatte ich plötzlich das Gefühl, nicht allein im Flur zu sein. Außer Schatten und meiner Silhouette konnte ich aber nichts erkennen.
Als die Fahrstuhltüren sich schlossen, verschwand das helle Viereck. Mein ungutes Gefühl verstärkte sich. Ich stand allein in der Dunkelheit, in der sich irgendetwas versteckte. Ich hatte das Gewehr zwar auf den Boden gerichtet, hielt es jedoch schussbereit in der Hand, während ich auf Mishas Büro zuging.
Die Schatten um mich herum bewegten sich und strichen wie seidiger Rauch über meine Haut. So musste es sich anfühlen, wenn man von Geistern gestreichelt wurde. Nur wärmer, gefährlicher. Das hier waren keine Geister. Es war etwas Warmes und irgendwie Bedrohliches.
Ich ahnte, dass die Bedrohung, wenn ich eine falsche Bewegung machte, schnell tödlich werden konnte.
»Leg die Waffe weg, Riley.« Mishas Stimme schien aus den Wänden zu dringen. Ich blickte mich um, konnte aber nichts Lautsprecherähnliches entdecken. »Erst, wenn du mir sagst, was sich in diesem Flur verbirgt.« »Kannst du sie sehen?«, fragte er überrascht. »Nein, aber fühlen.« »Interessant.« »Ich lege die Waffe erst zur Seite, wenn du ihnen gesagt hast, dass sie weggehen sollen.« Ich blieb an der Tür stehen und wartete. Er lächelte. »Tiimu, zieh dich zurück.«
Die Schatten lösten sich auf, und plötzlich wirkte der Flur viel heller und nicht mehr so bedrückend. Ich hielt mich an meinen Teil der Abmachung und steckte das Gewehr zurück in den Rucksack. Die Metalltür glitt zur Seite.
Mishas Büro war kleiner als erwartet. Während die meisten Vorstandsbüros heutzutage die Größe von Fußballfeldern hatten, erinnerte dies mehr an ein Basketballfeld. Das war zwar immer noch groß, aber man konnte sich hier verteidigen.
Er ließ den Blick über meinen Körper gleiten und blieb kurz an dem Blutfleck auf meinem Hemd und meinem Hosenbein hängen. Als er den Blick wieder hob und mich ansah, bemerkte ich so etwas wie Respekt in seinen Augen, vielleicht war es auch nur Wachsamkeit, die ich vorher noch nicht bei ihm gesehen hatte. »Du hast gegen die Geisterechse gekämpft?«
»Ich habe gegen sie gekämpft und sie besiegt.« Es konnte nicht schaden, ihn daran zu erinnern, dass ich mehr als ein Werwolf war. Vielleicht behandelte er mich dann nicht nur wie seine Zuchtstute, warum ich allerdings nach wie vor meine Zweifel hatte. Ich konnte nichts Verdächtiges entdecken. Bei der Reichweite der heutigen Gewehre konnte sich ein Killer allerdings auch sonst wo verstecken.
Wenn ich hier so frei herumstand, war auch ich in Gefahr, aber nur, wenn der Killer wusste, dass ich unter den braunen Haaren steckte.
Ich ging zu der Säule links neben dem Fensterbogen, verschränkte die Arme und stützte mich mit dem Rücken an ihr ab. »Überrascht dich das?« Mit nachdenklichem Gesichtsausdruck lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.
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