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Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition)

Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition)

Titel: Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Benchetrit
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mehr ab, am Ende machen sie sogar ihre Hausaufgaben.
    Im Fall von Brice Lanier ist das zum Beispiel so. Er wohnt in einem dieser Einfamilienhäuser, und wir gehen, seit ich denken kann, in dieselbe Klasse. Es hat gedauert, bis ich mich mit ihm angefreundet habe. Auch bei Karim, Yéyé und Freddy hat es gedauert. Allerdings hat Brice auch alles getan, um von uns verachtet zu werden. Er setzte sich in die erste Reihe. Spielte allein in einer Eckedes Schulhofs. Er lachte nicht über Yéyés Flachwitze. Und eines Tages brachte er der Lehrerin ein Geburtstagsgeschenk mit. Dafür haben wir ihn gehasst. Mehrmals ist Brice nur um Haaresbreite an einer Abreibung vorbeigerauscht. Ehrlich gesagt war es mir egal, ich mochte ihn auch nicht, und so mischte ich mich nicht ein.
    Und dann, vor drei Jahren, traf ich Brice auf der Straße. Es ist immer seltsam, Leuten, mit denen man das ganze Jahr über in der Schule sitzt, in den Sommerferien über den Weg zu laufen. So als würde man am anderen Ende der Welt leben und sich zufällig in die Arme laufen. Brice grüßte mich, und anstatt an ihm vorbeizugehen, ohne etwas zu sagen, erwiderte ich seinen Gruß. Dazu muss man wissen, dass ich mich tödlich langweilte und nahezu alles getan hätte, um aus dieser Stimmung rauszukommen. Brice fragte mich, was ich so machte. Nichts, antwortete ich. Daraufhin fragte ich ihn, was er denn so machte. Auch nichts, erwiderte er. Und von da an haben wir uns bis zum Ende der Ferien täglich gesehen.
    Am Anfang hatte Brice Angst, mit mir in die Cité zu kommen. Man sah ihm an, dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte. Die anderen haben ganz schön komisch aus der Wäsche geguckt, als ich mit ihm im Schlepptau vor dem Wohnturm ankam. So von wegen, was willst du denn mit dem Idioten? Doch dann erging es ihnen genauso wie mir, und sie schlossen ihn immer mehr ins Herz. Hinter all seiner Verklemmtheit versteckt Brice nämlich einen der großartigsten Menschen, die man sich vorstellenkann. Er will immer alles mit anderen teilen. Hat zu allem etwas Positives zu sagen. Wenn man zum Beispiel zum Friseur geht, sagen nachher alle zu einem:
    »Sieht scheiße aus … Du siehst aus wie ein nasser Hund … Sag mal, warst du bei einem Blinden?«
    Und dann hört man Brice auf einmal sagen:
    »Steht dir gut!«
    Eines Tages lud Brice uns zu einem Imbiss zu sich nach Hause ein. Karim war auch dabei, und so betrat ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Einfamilienhaus. Ehrlich gesagt hat es mich nicht sehr beeindruckt. Wenn man keinen Geschmack hat, kann man in einem Schloss wohnen, es würde trotzdem hässlich bleiben. Als Brice uns seine Familie vorstellte, habe ich erst mal einen Schock bekommen: Da war niemand außer einer mindestens zweihundertfünfzig Jahre alten Frau. Ich fragte vorsichtig nach, wo denn seine Eltern wären, und Brice erklärte uns, dass sein Vater gestorben ist, als er noch klein war, und dass seine Mutter als Bedienung in einer Bar in Südfrankreich arbeitet und ihn der Obhut seiner Großmutter überlassen hat.
    Die alte Frau war schon nett, aber irgendwie auch ein bisschen vergesslich. Fünftausend Mal fragte sie mich nach meinem Namen. Und sie sagte ständig, dass Karim Omar Sharif ähnlich sehen würde.
    Wir wussten nicht, wer Omar Sharif war, aber Karim hat sich mal erkundigt, und dann haben wir uns
Lawrence von Arabien
angesehen.
    Als die Schule wieder anfing, war Brice fester Bestandteilunserer Clique. Und was mir sehr imponiert hat: Er setzte sich trotzdem hartnäckig in die erste Reihe und schuftete wie ein Verrückter, um Klassenbester zu werden. Es gibt Leute, die bringen es weit, ich schwör’s Ihnen.
    Jedenfalls stößt Brice seit jenen Ferien morgens auf dem Schulweg zu uns. Was super ist, weil er uns dann eine Matheaufgabe oder Dinge aus dem Geschichtsunterricht erklären kann, die wir nicht verstanden haben. Er kann gut erklären, weil er Beispiele aus dem normalen Leben dafür nimmt. Damit wir uns die Namen der Könige und ihre Ziffern merken können, empfahl Brice, an die Leute in unserem Wohnturm und das jeweilige Stockwerk zu denken. Monsieur Hamida zum Beispiel, der in der ersten Etage wohnt, ist der Ritterkönig Franz I. Monsieur Touré in der zweiten ist Heinrich II. Im dritten Stock ist es schwieriger, weil da nur Frauen wohnen, aber ich denke trotzdem an Madame García, weil sie einen Bart hat, für mich ist sie Heinrich III. Verrückt, aber es funktioniert. In meinem Kopf sind diese Menschen jetzt alle Könige.
    Die

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