Ring aus Feuer
der Botschaft ihnen dank seines Geldes und seines machtvollen Namens über die Grenze helfen würden. Und dann … nichts. Nur die grauenvolle Nachricht, dass es bei der schweren Explosion außer ihr keine weiteren Überlebenden gegeben hatte.
„Es ist wahr“, rief sie und sprang auf. „Ich bin nicht wie du aus San Miguel entkommen. Ich war während der letzten vier Jahre in Südamerika.“
Verblüfft wich Stavros einen Schritt zurück. Er war auf alle möglichen Lügengeschichten gefasst gewesen, aber nicht darauf. Es war kaum zu fassen.
Lange Zeit hatte er sie tot geglaubt. Dabei hatte er doch versprochen, sie außer Landes zu bringen, bevor der Bürgerkrieg endgültig ausbrach. Und er hatte versagt, als eine Bombe die Straße zerriss, auf der sie unterwegs waren in Richtung Flughafen.
Nachdem er eine neue Smaragdmine besichtigt hatte, wollte er seine Abreise vorbereiten. Doch sein Fahrer berichtete ihm von dem ausländischen Mädchen im örtlichen Gefängnis. Kein Tourist verirrte sich in diesen Teil der Welt, nicht einmal die mutigsten Abenteurer. Sogar Stavros selbst hatte seine Schwierigkeiten gehabt, hierherzufinden und sich einen Weg durch diese abgelegene Region zu bahnen.
Die Fremde war verhaftet worden, weil man sie verdächtigte, die Rebellen zu unterstützen. Dabei wusste praktisch jeder, dass sie unschuldig war. Aus Dummheit hatte sie sich ihren Pass stehlen lassen und war in die Hände eines gewalttätigen Polizeihauptmanns geraten.
Nach einem Besuch im Gefängnis schwor Stavros sich, das Mädchen zu befreien. Ein Blick in ihr verängstigtes, verzweifeltes Gesicht reichte aus. Er war felsenfest entschlossen, sie aus der schmutzigen düsteren Zelle zu befreien. Was sollte er also tun? Sie waren die einzigen Ausländer im Umkreis von mehreren Hundert Kilometern. Und dieses Mädchen hatte keinerlei Gelegenheit zu entkommen, bevor sich die Unruhe im Land zu einem regelrechten Blutbad entwickelte. Wenn sie dabei nicht umkam, waren ihre brutalen Wärter immer noch Bedrohung genug.
Stavros’ Reichtum und Einfluss räumten alle Schwierigkeiten aus dem Weg. Niemand protestierte, als er darauf bestand, seine Ehefrau aus der Gefahrenzone zu bringen.
Aber die Vorstellung, sie hätte tatsächlich in diesem vom Bürgerkrieg zerrissenen Krisengebiet festgesessen, war undenkbar.
Stavros machte auf dem Absatz kehrt und lief unruhig im Zimmer auf und ab. Dabei wich er bewusst ihrer ihm zugewandten Unschuldsmiene aus. Ihm wurde eiskalt bei dem Gedanken, dass er sie unwissentlich in Südamerika zurückgelassen hatte.
„Das kann nicht wahr sein“, sagte er heiser. Sie war entkommen und über die Grenze ausgereist. Und jetzt saß sie vor ihm, weil sie letztendlich erfahren hatte, wer er in Wirklichkeit war!
„Ist es aber.“ Ihre tonlose Bestätigung hätte ihn mitten ins Herz getroffen, wenn er sich nicht schon längst abgeschottet hätte.
„Wärst du so lange verschollen gewesen, hätte man längst nach dir gesucht, Nachforschungen angestellt oder sonst etwas! Deine Familie in Australien hätte doch längst die Behörden informiert.“
„Ich habe keine Familie“, erklärte sie leise. „Meine Mutter ist tot, und meinen Vater habe ich nie kennengelernt.“ Fröstelnd schlang sie die Arme um sich. „Geschwister gibt es auch nicht, und meine Mutter war mit ihrer Familie zerstritten. Ich weiß nicht einmal, wo sie wohnen oder ob meine Großeltern überhaupt noch am Leben sind. Wenn ich nach Hause komme, möchte ich sie gern ausfindig machen.“
Unwillig musste er sich eingestehen, dass er Mitleid mit ihr hatte. Trotzdem war er nicht ganz überzeugt.
„Warum bist du nicht geflohen, als du die Gelegenheit dazu hattest?“, forschte er nach. Sie musste längst verschwunden gewesen sein, als er nach der Detonation verletzt und verwirrt zu sich gekommen war.
Mit großen Augen sah sie ihn an. „Ich bin erst am nächsten Tag zu Bewusstsein gekommen – in einem Bergdorf meilenweit entfernt. Eine Fremde hat mich gerettet.“
„Eine Fremde?“
„Schwester Mercedes. Die letzten Jahre über habe ich bei ihr gelebt.“
Bei einer Nonne? Er sollte ihr abnehmen, dass sie das unschuldige Leben einer Nonne geführt hatte?
Sein Lachen erfüllte den ganzen Raum, und ein Teil seiner Anspannung fiel endlich von ihm ab. Tessa Marlowe war doch keine so begnadete Lügnerin. Mit dieser letzten Behauptung hatte sie den Bogen eindeutig überspannt. Als Nächstes wollte sie ihm wahrscheinlich weismachen, sie wäre noch
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