Ring aus Feuer
Jungfrau!
„Es stimmt.“ Sie stellte sich direkt vor ihn und hob ihr Kinn, um ihn besser ansehen zu können. Unbewusst streckte sie beide Hände nach ihm aus und wirkte dadurch gleichzeitig tapfer und verletzlich.
„Wir sind in den Bergen geblieben, weil es dort sicherer war. Einmal habe ich versucht, die Grenze zu überqueren. Dabei ist allerdings mein Bergführer angeschossen und schwer verwundet worden. Es war einfach zu gefährlich, aus dem Land zu fliehen.“
„Es reicht“, unterbrach er sie ungeduldig. All die Lügen, die über ihre bezaubernden Lippen kamen, machten ihn regelrecht krank.
Eigenartig, denn schließlich war er Kummer gewohnt, nachdem er von drei habgierigen Stiefmüttern und einer ganzen Armee von Anwärterinnen auf die Position einer Mrs. Denakis belagert worden war. Lügen, Halbwahrheiten, Manipulationen und Gier – alles nichts Neues für ihn.
Er schritt zur Tür und riss sie auf. „Spar dir deine Worte!“, knurrte er mit einem Blick über die Schulter. „Du wirst mit dieser Scharade nicht das Geringste erreichen.“
Dennoch plagten ihn Zweifel, nachdem er die Tür hinter sich ins Schloss geworfen hatte. Allerdings verbot ihm seine Erfahrung, sich von dieser Unsicherheit beeindrucken zu lassen.
Stavros stand allein in der Abendsonne und betrachtete die Boote, die durch die Bucht glitten. Die Ruhe um ihn herum war eine immense Erholung, nachdem er den Großteil des Tages damit verbracht hatte, seine Gäste zu verabschieden. Seine Verlobung bedeutete die Verbindung zweier einflussreicher Familien, wie sein Vater stets gewissenhaft betonte.
Und jetzt stellte Stavros’ Noch-Ehefrau eine Bedrohung für dieses Bündnis dar. Tessa Marlowe war ein Rätsel, das es zu lösen galt.
Er war nicht an ungeklärte Probleme gewöhnt. Schwierigkeiten schaffte er umgehend aus dem Weg, aber in diesem Fall konnte das einige Zeit dauern. Man hatte ihm bereits mitgeteilt, dass die Ehe nicht so einfach aufzulösen war. Schon jetzt war Stavros mit seiner Geduld am Ende. Ihm wurde ganz schwindelig bei dem Gedanken, Tessa auf unbestimmte Zeit in seinem Haus beherbergen zu müssen.
Er ballte seine Hände zu Fäusten. Stundenlang hatte er neben Angela gestanden und mit Familienmitgliedern und Freunden geplaudert. Nah genug, um die Körperwärme seiner Verlobten zu spüren. Nah genug, um erwartungsvolle Begierde für die Frau zu entwickeln, die er heiraten wollte. Für die Frau, die er wegen ihrer beeindruckenden Schönheit, ihres Charakters und ihrer einwandfreien Herkunft auserwählt hatte.
Trotzdem hatte er absolut nichts gespürt! Keine aufflammende Leidenschaft, keine sexuelle Erregung, nichts!
Die fehlende Libido war aber nicht das Hauptproblem. Den ganzen Tag lang wurde er von den smaragdgrünen Augen einer Frau verfolgt, die sein Blut mit Leichtigkeit zum Kochen brachte. Nicht einmal seine Wut auf sie konnte das Verlangen schmälern, das sie in ihm entfachte.
Was hatte Tessa nur an sich, dass sie seinen Schutzwall so mühelos durchbrach? Wieso konnte er sich nicht auf Angela konzentrieren, die Traumfrau, mit der er eine Familie gründen wollte? Stattdessen war er an eine Schwindlerin gefesselt, die seine Selbstkontrolle im Handumdrehen zunichte machte.
Auf dem Weg zurück ins Haus spürte er ein Prickeln im Nacken und blickte automatisch hoch zu den großen Fenstern im ersten Stockwerk. Sofort erkannte er Tessas schmale Gestalt, halb verdeckt von einem bodenlangen Vorhang. Das Kribbeln breitete sich über seinen ganzen Körper aus, während er beobachtete, wie sie mit einer Hand den Vorhang umklammerte.
Selbst auf diese Entfernung war er sicher, dass ihre Blicke sich direkt trafen. Obendrein war es offensichtlich, dass auch Tessa eine gewisse Verbindung zwischen ihnen nicht leugnen konnte. Spätestens seit sie wenige Stunden zuvor mit halb geöffneten Lippen atemlos seinen Kuss erwartet hatte …
Entschlossen marschierte er weiter und kämpfte gegen den Drang an, auf kürzestem Weg zu ihr zu gehen. Immerhin wusste er jetzt, dass er etwas gegen Tessa Marlowe in der Hand hatte: nämlich ihre Schwäche für ihn. Genau die würde er als Waffe gegen sie verwenden, wenn es sein musste.
5. KAPITEL
Tessa glitt durch das kristallklare Wasser und genoss dabei in vollen Zügen das Gefühl der Schwerelosigkeit. Es war Jahre her, seit sie zum letzten Mal geschwommen war. Schwimmen gelernt hatte sie vor einer gefühlten Ewigkeit in einem Hallenbad, in dessen Nähe sie einige Zeit mit ihrer Mutter
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