Ring aus Feuer
schämen, dass er Tessa bei der Rückreise geholfen hatte.
Viel schlimmer für Stavros war aber die Nachricht, dass sie – laut den Worten seines Vaters – bei ihrer Abfahrt in Tränen aufgelöst gewesen war. Man hatte offenbar kaum ein Wort von dem verstehen können, was sie gesagt hatte. Sie war zu verzweifelt gewesen.
Mit einem lauten Knall warf Stavros das Etui auf einen Beistelltisch und starrte dann regungslos in die dunkle Bucht hinaus. Sobald man eine Spur von Tessa fand, würde er ihr nachreisen.
Es kostete ihn ungeheure Überwindung, tatenlos herumzustehen und auf Neuigkeiten zu warten. Er wollte losfahren und sie auf eigene Faust suchen. Andererseits wollte er zu Hause sein, falls sie anrufen sollte.
Warum war sie weg?
Er hatte ihr doch alles geboten, was sie sich wünschte! Müde rieb Stavros seine brennenden Augen. Er musste irgendetwas übersehen haben. Nur was?
Heute waren keine Besucher gekommen, niemand hatte angerufen, und Tessa hatte auch keine Nachrichten über das Internet bekommen. Was immer diese Flucht ausgelöst hatte, es konnten keine schlechten Neuigkeiten gewesen sein.
Spätestens wenn morgen die australische Botschaft öffnete, würde Stavros etwas erfahren. Wahrscheinlich konnte er Tessa sogar dort abfangen und zur Rede stellen. Aber bis dahin musste er irgendwie die Zeit totschlagen und darauf warten, dass einer seiner Mitarbeiter möglicherweise vorher auf seinem Mobiltelefon anrief, weil er Tessa aufgespürt hatte.
Stavros fühlte sich … verloren.
Tessa erwachte, als ihr jemand mit den Fingerspitzen behutsam die Haare aus dem Gesicht strich.
„Deine Wangen sind ganz nass“, flüsterte Stavros in ihr Ohr und strich mit einer Hand über das T-Shirt, das sie trug. Es gehörte eigentlich Stavros, aber Tessa hatte es bei ihrer Flucht spontan entwendet, weil es so gut nach ihm roch. „Du darfst nicht weinen, glikia mou. Ich hasse es, wenn du weinst.“
Sein Ton war etwas schärfer geworden, und erst jetzt wurde Tessa bewusst, dass sie nicht träumte. Erschrocken riss sie die Augen auf, und da war er. Stavros. Nur wenige Zentimeter von ihr entfernt.
Seine glänzenden schwarzen Haare fielen ihm tief in die Stirn, und seine grauen Augen wirkten hell und klar. Diesen Ausdruck hatte Tessa nie zuvor in ihnen entdeckt.
„Stavros?“ Sie blinzelte. Es war doch unmöglich, dass er sie gefunden hatte. Vassilis hatte ihr versprochen, nichts zu verraten.
„Du hast doch wohl gewusst, dass ich dir folgen würde?“
Sein intensiver Blick ging bis tief in ihre Seele. Tessa setzte sich im Bett auf und rückte von Stavros ab, sodass sein Arm von ihrer Schulter glitt. Sie konnte es immer noch nicht ganz begreifen. Der Mann, den sie liebte, saß vor ihr – in Fleisch und Blut.
Sie wollte ihre Hand ausstrecken, ihn berühren. Ihr Körper sehnte sich nach ihm. Stavros sah in seinen engen schwarzen Jeans und dem dunklen Pullover hinreißend aus. Schnell verschränkte Tessa ihre Finger, um sich besser unter Kontrolle zu haben.
„Wie bist du hierhergekommen?“, fragte sie leise.
„Über den Zaun und durch das Fenster.“ Er zeigte auf die Vorhänge, die von der kühlen Nachtbrise ins Zimmer geweht wurden. „Keine große Sache, ich hatte den Sicherheitscode, um den Alarm auszuschalten.“
Keine große Sache?, wiederholte sie im Stillen. Immerhin musste Stavros zwei Stockwerke hinaufgeklettert sein.
„Warum?“
„Ich wollte nicht noch einmal mit meinem Vater reden, sondern nur dich sehen. Allein.“
Dieses letzte Wort klang vielversprechend, und Tessa spürte, wie ihre Widerstandskraft sie langsam verließ.
„Hat Vassilis dir gesagt, dass ich hier bin?“ Das konnte sie sich kaum vorstellen. Kein Vater hätte der eigenen Tochter gegenüber hilfsbereiter und liebevoller handeln können als ihr Schwiegervater. Er hatte ihr sofort geholfen, als Tessa in ihrer Verzweiflung zu ihm geflohen war.
„Nein.“ Stavros schüttelte den Kopf. „Mein Vater hat alles dafür getan, damit ich glaube, du wärst in Athen. Er hat sich auf deine Seite geschlagen, gegen seinen eigenen Sohn.“ Er machte eine lange, bedeutungsvolle Pause. „Mir war klar, dass er mir etwas vorenthielt. Aber ich wusste nicht, dass du es warst!“
Er nahm ihre Hand, doch Tessa entzog sich ihm. Sie konnte seine Berührung nicht ertragen. Nicht jetzt. Sie hatte gerade erst all ihren Mut und ihre Kraft zusammengenommen, um ihn zu verlassen.
Sein Gesicht war so grimmig, wie sie es noch nie gesehen hatte. Er holte tief
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