Ring frei fuer die Liebe
sie oder trieb sie zur Weißglut – ja, sie wusste genau, was diese kleine Nummer an diesem Nachmittag bedeutete. Er hatte sie absichtlich gereizt und sich über sie lustig gemacht. Je eher dieses Hochzeitsdebakel vorbei war und er zu seiner großbrüstigen Plastikfreundin zurückkam, desto besser.
Sie hätte sich beinahe an ihrem Wein verschluckt. Hatte sie Kiki gerade als großbrüstige Plastikfreundin bezeichnet?
Gott, sie musste dringend mehr unter Menschen, sie wurde ja immer mehr wie ihre Mutter. Vielleicht kannte Domenic ja einen Rapper, mit dem sie ein bisschen rumhängen konnte, um wieder etwas normaler zu werden.
Edwina plapperte sich in die Unterhaltung. »Morgen trainieren wir ganz früh, Zac. Danach müssen wir dringend reden, Talli. Ich habe mich übrigens wegen des Farbschemas ganz neu entschieden. Ich denke jetzt an Lila.«
Mühsam schluckte Talli den Wein in ihrem Mund herunter und sackte innerlich zusammen. Sie kämpfte gegen den Drang, ihre sonst übliche Stresshaltung einzunehmen (den Kopf auf den Tisch zu legen). Was ihr Vater genau in diesem Moment tat. Schnell und mit einem lauten Aufprall.
»Daddy!«, kreischte Dessi und sprang auf.
Aber Talli war schneller. Im Bruchteil einer Sekunde war sie bei ihm und registrierte zugleich, dass alle anderen wie erstarrt waren, zusahen, nichts taten. Alle außer Zac.
Er war sofort neben ihr. »Wir müssen ihn auf den Boden legen und in die stabile Seitenlage bringen.«
»Macht eine Herzmassage! Macht eine Herzmassage!«, kreischte Edwina.
Zac und Talli ignorierten sie, sie waren zu sehr damit beschäftigt, Giles vom Tisch zu hieven und behutsam auf den Fußboden zu manövrieren. Talli war froh, dass sie in einem Nebenraum waren, so brauchten sie sich wenigstens nicht mit neugierigen Zuschauern herumzuschlagen.
Mit klopfendem Herzen drehte sie ihren Dad auf die Seite, suchte seinen Puls und war überrascht, ihn sofort zu finden. Er war kräftig und regelmäßig.
»Herzmassage! Herzmassage!«, schrie Edwina.
Zac hielt sein Ohr erst an Giles’ Mund, danach an seine Brust.
»Nimmt er irgendwelche Medikamente? Hat er gesundheitliche Probleme?«
Talli schüttelte den Kopf. »Nein.«
Er legte die Hand wieder auf Giles’ Brust. »Er atmet regelmäßig«, informierte er Talli.
»Sein Puls ist auch völlig normal«, antwortete sie. »Wir sollten trotzdem einen Notarzt holen. Vielleicht ist es ein Schlaganfall. Oder Herzrhythmusstörungen.«
»Notarzt! Ich brauche sofort einen Notarzt!«, rief Edwina in ihr I-Phone. »Mein Schwiegervater. Er ist … er ist …«
In diesem Moment beantwortete Giles unbeabsichtigt alle Fragen mit einem tiefen Seufzer. »Guter Job, Talli«, nuschelte er. »Wirklich …« Der Satz endete in einem schiefen Grinsen und mit einem Schnarchlaut.
»Er ist nur betrunken, Edwina«, erklärte Zac ruhig. »Am besten, du bestellst den Notarzt wieder ab.«
Unendlich erleichtert strich Talli ihrem Dad übers Haar.
»Ich rufe meinen Fahrer an, er kann ihn nach Hause bringen«, schlug Simmy vor.
Als sie Giles vorsichtig aufrichteten, machte er ein seltsames Geräusch. Talli erkannte darin die Anfangsmelodie von You Raise Me Up . Pornos. Alkohol. Westlife.
Wer war dieser Mann?
»Ich komme mit dir«, bot Simmy an und schickte seinem Fahrer eine SMS.
»Nein, nein, das ist nicht nötig, ehrlich nicht.«
Talli warf einen Blick in Domenics Richtung. Die Vorstellung, mit zu ihm zu fahren, war auf einmal gar nicht mehr verlockend. Sie wollte nur ihren Vater nach Hause schaffen und sicherstellen, dass es ihm gut ging.
»Darling, macht es dir was aus, wenn ich heute Abend doch zu mir nach Hause fahre? Ich möchte gern bei Daddy sein.«
Dom schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Fahr ruhig nach Hause. In Camden ist heute Abend ein Konzert, da wollte ich ursprünglich hin. Vielleicht fahre ich da später noch rüber.«
Dafür liebte sie ihn so. Okay, auch er hatte seine schwierigen Momente, aber wer hatte die nicht? Im Grunde seines Herzens war er ein anständiger, echt loyaler Typ. Mit einer Intoleranz gegen fünfhundertvierundsechzig verschiedene Lebensmittelsubstanzen. Beim letzten Nachzählen.
Simmy warf einen Blick auf sein Handy. »Der Wagen ist da. Wenn das okay für euch ist, fahrt ihr jetzt und schickt uns das Auto zurück.«
»Kein Problem. Bleib du und genieß den restlichen Abend. Wir kommen schon klar.« Plötzlich fiel Talli auf, dass sie mit »wir« auch Mr. Kraftmeier einschloss. Ihren fragenden Blick
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