Ring frei fuer die Liebe
seine Klamotten waren gebügelt und ordentlich aufgehängt. Ihre Seite sah aus, als hätten ein paar Designer ihre komplette Kollektion dort mit einer Kanone hineingeschossen. Es gab Klamotten auf Bügeln, Klamotten auf dem Boden, alles wild durcheinander. Und trotzdem jammerte sie ständig, sie hätte nichts zum Anziehen.
Er hatte die Augen fast zu, als irgendetwas in Kikis Stimme seine Aufmerksamkeit erregte.
»Was ist, Baby?«, murmelte er.
»Ich kann nicht fassen, dass du mir nicht zuhörst, Zac Parker. Ich schwöre, sogar Toby hört mir besser zu als du, und der ist nicht mal mein wirklicher Freund. Gott, hast du gehört, dass er umgekippt ist? Ich musste auf total besorgt machen, obwohl er meine neuen Roberto Cavallis vollgeblutet hat. Ich werde Edwina die Rechnung von der Reinigung schicken.«
»Baby!« Seine Ungeduld überraschte sie. »Was hast du vorhin gesagt?«
»Ach, irgend so ein Typ hat heute Morgen angerufen. Er hat was von Schulden gesagt, mir aber keine Einzelheiten genannt. Um was geht es da?«
Keine schöne Erinnerung konnte das Frösteln verhindern, das durch seinen Körper kroch. »Keine Ahnung, Baby«, antwortete er. »Hat sich bestimmt verwählt.«
25. Kapitel
Im Haus war es merkwürdig still, als Talli hereinkam. Ihr erster Gang führte sie ins Arbeitszimmer ihres Vaters, aber sein brauner Ledersessel war leer. Sie widerstand der Versuchung, kurz zu checken, ob sein PC an war, aus Angst, auf dem Bildschirm etwas Kompromittierendes zu entdecken. Es wäre nur ein weiteres Indiz für seine Verhaltensänderung.
Sie schaute ins Wohnzimmer. Leer. Als Nächstes kam die Küche an die Reihe, dort fand sie ihn tatsächlich. Er saß am großen Esstisch und ging einem weiteren neuen Laster nach. Wenigstens besaß er so viel Anstand, den Löffel aus der Familienpackung Schokoeis zu nehmen und zu lächeln, als er sie sah.
Sein Verhalten verlangte nach sofortiger Aktion. Talli umarmte ihren Vater kurz, nahm sich einen Löffel aus der Besteckschublade und setzte sich zu ihm. Er sah aus, als hätte er in der letzten Stunde ein Feld gepflügt, aber das sagte sie ihm nicht. Seine Haare waren wirr. Er trug einen kastanienbraunen zerschlissenen Wollpulli, dazu die erdverkrustete Cordhose, die er sonst immer bei der Gartenarbeit anhatte.
»Und? Was gibt’s Neues?«, fragte sie lächelnd.
Egal, was los war, sie durfte jetzt nicht zu ernst klingen. Ein bisschen Humor wirkte bei ihrem Vater immer Wunder.
Dieses Mal jedoch nicht.
»Tallulah, Schatz, du weißt, dass ich nie etwas tun würde, was dieser Familie schaden könnte …«
»Natürlich weiß ich das, Dad.«
Ein Schokosplitter blieb ihr in der Kehle stecken, und sie musste husten. Ihr Magen zog sich zusammen. Was immer hier vor sich ging, war nichts, was man so eben lösen konnte, sonst würde ihr Vater nicht Trost auf dem Boden einer Eispackung suchen – er musste sich fettarm ernähren, seit sein Arzt 1998 einen zu hohen Cholesterinspiegel bei ihm festgestellt hatte.
»Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, Kleines …« Er zögerte, offenbar fand er nicht die richtigen Worte.
»Daddy, hast du eine Affäre? Oder hat Mummy jemanden kennengelernt?«
Diese Frage beschäftigte sie, seit ihr die Frau mit dem Schild begegnet war. Einer ihrer Eltern war bei einem Seitensprung erwischt worden, und jetzt trennten sie sich und teilten das Vermögen auf, und das Sommerhaus musste verkauft werden. Bis vor kurzem wäre sie empört gewesen über die Vorstellung, dass einer von ihnen fremdgehen könnte. Jetzt sah sie das ganz anders.
Nun war Giles derjenige, der beinahe an seinem Eis erstickte. »Nein, natürlich nicht! Wie kommst du denn auf die Idee?«
Sein rotes Gesicht gefiel ihr nicht, und sie nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit ihren Hausarzt anzurufen.
»Okay. Alles andere lässt sich lösen, Daddy. Ganz sicher.«
Er schüttelte müde den Kopf. »Nein, da irrst du dich, mein Liebling. Das nicht. Alles ist weg.«
Talli sah sich um. Was fehlte denn? Halluzinierte er? Hatte er geistige Aussetzer? Wie damals ihr Großvater, der vor seinem Tod geschworen hatte, er habe Napoleon ermordet.
»Was ist denn weg, Daddy?«
»Unser Vermögen, Kleines. Es ist weg. Komplett.«
Sein Körper sackte in sich zusammen. Talli brach es das Herz. Sie schmerzte weniger der Verlust des Geldes, sondern der Zustand des Mannes vor ihr, des Vaters, der immer so stark gewesen war. Alles hatte er gemeistert: die schwierigen Phasen mit pubertierenden
Weitere Kostenlose Bücher