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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Kunstpause. »Bei der Gestaltung der Programmbücher behalten Sie selbstverständlich vollkommen freie Hand. Die Deutsche Bank hat sich lediglich ausbedungen, daß Sie ihnen jeweils die Rückseiten der Hefte überlassen. Sehen Sie«, der Generalmanager reichte Cora ein Blatt herüber, »dies ist zum Beispiel der Entwurf für das Rheingold -Programm. «
    LIEBER WOTAN, las Cora, SIE MUSSTEN IHREN TRAUM VOM EIGENHEIM DURCH MENSCHENHANDEL UND DIEBSTAHL FINANZIEREN. MIT UNSERER NEUEN BAUSPARFÖR-DERUNG
WÄRE IHNEN DAS ERSPART GEBLIEBEN. REDEN WIR DARÜBER. DEUTSCHE BANK.
    »Ist das Ihr Ernst?« Cora betrachtete den Mann auf der anderen Seite des Schreibtischs, als ob er ihr soeben den Prototyp eines abwaschbaren Klopapiers in die Hand gedrückt hätte.
    »Wie«, Preuss ließ seine Nasenmuskulatur erneut spielen. »Wieso mein Ernst ?«
    Cora bemühte sich, die Fassung zu wahren. »Und bei Siegfried wird dann dem armen Lindwurm empfohlen, seinen Schatz nicht länger in einer Höhle zu horten, sondern mit den freundlichen Beratern der Deutschen Bank über Investmentfonds oder sonstige Kapitalanlagen zu reden.« Ihre aufgestaute Heiterkeit entlud sich.
    »Frau Starneck«, sagte der Generalmanager scharf, »ich glaube, Sie müssen mir erklären, was so komisch daran ist, daß die Deutsche Bank Ihnen Ihr Programmheft bezahlt. Daß sie dafür ein gewisses Entgegenkommen auf unserer Seite erwartet, ist nur recht und billig. — Machen wir uns doch nichts vor : Die Zeiten sind vorbei, in denen sich die Theater ästhetischen Fundamentalismus leisten konnten. Wir müssen alle umdenken und Kompromißbereitschaft lernen. Auch ich kann nicht immer so, wie ich will. Glauben Sie mir das.« Preuss knallte seine Brille auf den Walnuß-Schreibtisch.
    Die Dramaturgin wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Es tut mir leid. Sie haben völlig recht. Die Tage der subventionierten Theatersandkästen sind tatsächlich vorbei.«
    Sie betrachtete das optische Prestigegerät, das sich vor ihr auf dem Schreibtisch spreizte. »Sagen Sie, haben Sie eigentlich mal darüber nachgedacht, für das Bühnenbild
oder die Kostüme Sponsoren zu suchen? Ich fände es zum Beispiel eine vorzügliche Idee, irgendeinen Designer zu fragen, ob er nicht unsere Götter einkleiden will. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist Raven mit den alten Kostümen ohnehin nicht mehr zufrieden. Ich glaube, Boss -Anzüge würden sich ganz zwanglos in die Inszenierung einfügen.«
    Die Züge des Generalmanagers klarten auf.

9
    Weiß und kalt ruhte der Kopf auf dem verschlissenen Samtkissen. Durch das Dachfenster fielen letzte Sonnenstrahlen. Die Hospitantin verriegelte die Tür. Ihre Kleidersanken auf den nackten Estrich. Langsam kroch sie über die speckige Matratze. Ihre Fingerreckten sich nach dem Schädel. »Guten Abend«, raunte sie ihm zu. Sie küßte die blutleeren Lippen.
    Im Nachbarzimmer stritten zwei Männer in kehliger Sprache.
    Ein Seufzer mischte sich in den stummen Kuß. »Richard«, flüsterte das Mädchen, »deine Nase ist sagenhaft, aber beim Knutschen einfach immer im Weg.« Nachdenklich hielt sie den Kopf vor ihr Gesicht. »In irgend so ner griechischen Kirche hab ich mal Statuen gesehen, bei denen waren die Zehen vom vielen Küssen richtig weggelutscht. Was meinst du, soll ich deinen Zinken auch weglutschen?« Sie leckte über das erhabene Organ.
    Der zweitgrößte deutsche Gesamtkunstwerker aller Zeiten schwieg gipsern.
    »Schon gut. War ja nur ne Idee.« Gut gelaunt ließ Gwendolyn ihn auf das Kissen zurückfallen. Sie streckte sich neben ihm aus.
    Im Nachbarzimmer wares still geworden.
    Das Mädchen zupfte an ihrem Bubischnitt. Die nach vorn gebogenen Spitzen endeten kurz vor den Mundwinkeln. Sie war stolz auf ihre neue Louise-Brooks-Frisur. Sie fand, daß sie damit erheblich älter aussah. Dennoch vermißte sie ihren Zopf, auf dem sie sechzehn Jahre lang herumgekaut hatte.
    »Du, Richard.« Der Meister starrte mit blinden Augen nach oben. Gwendolyn zog ihn zu sich heran. Gemeinsam betrachteten sie die Farbfetzen, die wie Fledermäuse von der Decke herabhingen. Die Glühbirne baumelte an einem durchgeschmorten Kabel. Es war eines der Frankfurter Zimmer, die ein Mädchen ohne Personalausweis mieten konnte. Gwendolyn fragte sich, ob ihr Vater inzwischen begriffen hatte, daß sie abgehauen war.
    »Du, Richard.« Gwendolyn streichelte über das glatte Gesicht. Ihr Vater hatte sie dazu zwingen wollen, Abitur zu machen und Jura zu studieren. Für ihre

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