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Ringkampf: Roman (German Edition)

Ringkampf: Roman (German Edition)

Titel: Ringkampf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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noch an Vorstellungen erinnern, wo wir die zwanzig Studenten ausm dritten Rang gebeten haben, sich runter ins Parkett
zu setzen, damit wir auf der Bühne nicht so allein sind. — Glaube, er war der einzige Intendant, der das Premierenvolk regelmäßig dazu gebracht hat, sich zu prügeln.« Sie seufzte. »Und der einzige, der nach einem solchen Sieg der Oper auf immer ade sagt.« Die verwelkten Züge blühten auf. »Wäre ein Kometeneinschlag geworden, wenn er den Ring damals noch rausgebracht hätte. Konnte mich schon an den Proben nicht satthören. Wie mit dem Seziermesser ist er an diese Schwarte rangegangen. Ritsch. Ratsch. Auf einmal hast du das siebte Horn und das Kontrafagott gehört. Jedes winzige Detail hat er aus der Partitur ans Licht gezerrt. Wagner selbst hätte zum ersten Mal gemerkt, was er da eigentlich komponiert hat.«
    Cora hatte dem Gedächtnisrauschen mit wachsender Wehmut gelauscht. »Du hast recht«, sagte sie langsam. »Haffner war absolut einzigartig. So präzise und klar hab ich den Ring nie wieder erlebt. Er hat damals wirklich hundert Jahre Bayreuthschlamm von der Partitur gekratzt. Es war ein ziemlich eisiger Wind, der durch das freigelegte Skelett gepfiffen hat. Schaurig — und wunderbar. — Im Grunde ist es völlig unmöglich, die Inszenierung jetzt ohne Haffner zu machen.« Die Dramaturgin schüttelte sich. »Obwohl — vielleicht ist das auch nur bornierter Unsinn.« Sie spürte, wie die alten Geschichten wieder hervorkrochen. Sie fragte sich, ob es ein Erinnerungsfernglas geben konnte, das nicht rosagetönt war.
    Der Kantinenlautsprecher orderte drei Bühnentechniker ins Magazin. Auf der Uhr über dem Ausgang sprang der große Zeiger zum nächsten Balken. Cora kippte ihren restlichen Wein hinunter. »Elli, ich fürchte,
ich muß dich verlassen. Ich habe schon seit zehn Minuten einen Termin mit Preuss. Er will mich wegen irgendeiner Sponsoring-Geschichte sprechen. Es gibt wohl Finanzierungsprobleme bei den Programmheften. «
    »Viel Spaß wünsch ich.« Wie ein schläfriger Alligator tauchte die Souffleuse aus ihren Vergangenheitstümpeln auf. »Gehst du ihn in seiner neuen Regierungsetage besuchen? Hat sich da oben eingerichtet wie Adolf aufm Obersalzberg.« Sie schnaubte verächtlich. »Der Kerl ist der teuerste Rotstift, den Frankfurt je eingekauft hat. Muß noch viele Programmhefte wegkürzen, bis er sich amortisiert hat.«

8
    Kanapees oder warmes Buffet? Seit Tagen rumorte diese Frage im Hirn des Generalmanagers. Tat es der Würde des Anlasses Genüge, kalte Schnittchen zu reichen, oder mußten bei einer so festlichen Wiedereröffnungs-und Premierenfeier nicht kulinarische Köstlichkeiten aller Art aufgeboten werden?
    Hermann Preuss kaute nachdenklich an dem Bügel seiner schmalen, rahmenlosen Designerbrille. Er war kein Mann der Illusion. Aus eigenem Etat konnte sich die Oper ein großes Bankett nicht leisten. Die Kosten für den Ring waren ohnedies bereits explodiert.
    Mittlerweile krampfte sich dem Generalmanager der Magen zusammen, wenn er Alexander Raven bloß in seiner Tür stehen sah. Säuerlich lächelnd erinnerte er sich des Planungsgesprächs, in dem es geheißen hatte: Wir
machen keine richtige Neuinszenierung, sondern bringen den fertigen Raven-Ring heraus — damit es billiger wird. Mit den Einfällen des Regisseurs, mit denen dieser täglich zu ihm kam, hatte damals niemand gerechnet.
    Gestern, nach einer Bauprobe für Götterdämmerung, hatte Alexander Raven beispielsweise verkündet, daß er für den Saal der Gibichungen — anstelle der schlichten Glasbauelemente — dreihundert Videomonitore bräuchte. Außerdem würden die Walkürenpanzer immer noch zu wenig glänzen, er hätte mit dem Waffenmeister über ein neues Material gesprochen. Der Ring sei zu klein, Nothung zu kurz, und so weiter, und so weiter. Im allgemeinen fand Preuss derartige Künstlerspinnereien reizend. Aber so wie die derzeitige Lage war, versauten sie ihm Etat und Laune.
    Der Generalmanager sah nur zwei Möglichkeiten, das Gala-Bankett zu retten: Entweder er ließ die Gäste selbst bezahlen, oder aber die Zahl der Einladungen war strikt zu beschränken. Denn auf Sponsoren konnte er nicht mehr hoffen. Der wichtigste Fördernde Patron organisierte die große Feier zu Bellinis Fünfzigstem, der übrige Patronatsverein hatte für den Ring bereits ausgiebig geblutet, und Industrie und Banken der Stadt hatte Preuss so ausgequetscht, daß aus ihnen kein Pfennig mehr tropfte. Der Generalmanager

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