Ringkampf: Roman (German Edition)
eine Reanimation ist es ganz ordentlich«, sagte sie und lächelte. Sie rülpste. Brünnhilde blickte sie traurig an.
»Gott, was war des für a Wahnsinnsproduktion.« Der einstige Technische Direktor malte Kringel auf seine beschlagene Flasche. »I kann mich noch guat erinnern«, sagte er versonnen. »Ganze Nächte lang hob i mit Alexander
rumg’werkelt, an diesem verrückten Bühnenbild. Nix ois Wölbungen: konvex, konkav, flache Rundung, Kugel-Rundung. Mei, was hamma an diesem verflixten Götter-Boden rumg’tüftelt. Sogar mit am Schiffsbauer in Lübeck hob i g’sprochen, bis ma den richtigen Dreh raushatten. Jetzt noch hob i an regelrechtes Kurven-Trauma. I krieg schon an Herzinfarkt, wenn i mei eigene Glatz im Spiegel seh.« Er gluckste. Die Hummel verschwand.
»Hobts ihr ois wieder so aufbaut, wies war«, fragte er beinahe schüchtern.
Die Dramaturgin schaute ihn herzlich an. »Im großen und ganzen ist alles beim alten. – Nur eines hat sich wirklich verändert: Es gibt kein echtes Feuer mehr. Im ganzen Ring brennen die Flammen nur noch auf Monitoren. «
Hans von Gluck beugte sich neugierig nach vorn. Brünnhilde jaulte auf seinem Schoß. »Und wie hobts ihr des dann beim Weltenbrand g’macht«, wollte er wissen.
»Die Halle der Gibichungen ist immer noch diese nach vorn hin offene, halbe Rotunde, du erinnerst dich?« Ernickte heftig.
»So weit ist also alles geblieben, doch statt der einfachen Glasquader, aus denen die Mauern damals gebaut waren, verwenden wir jetzt Bildschirme. Der gesamte Prospekt ist aus Monitoren errichtet. Es ist sozusagen eine riesige gekrümmte Videowand. Das Feuer beginnt unten und klettert langsam höher. Am Schluß lodern Flammen auf allen Kanälen.« Sie lächelte schwach. »Ich bin nicht so sicher, ob Alexander da tatsächlich eine gute Idee hatte, abergespannt bin ich trotzdem, wie es aussehen
wird. – Wenn wir es irgendwann mal sehen werden«, fügte sie hinzu. Ihr Lächeln flaute weiter ab.
»Ich glaube, du bist derjenige, der uns bei dieser Produktion am meisten fehlt, Hans«, sagte sie leise. »An diesem Haus ist der Voll-Dilettantismus ausgebrochen, seitdem du nicht mehr da bist. Seit Monaten pfuschen die jetzt schon an der neuen Bühnentechnik rum, und es funktioniert immer noch nichts. Gerade vor ein paar Tagen mußten wir wieder eine Beleuchtungsprobe abbrechen, weil die ganze Maschinerie Amok lief. Die Scheinwerfer spielten Lichtorgel, und die Drehbühne fuhr Geister-Karussell.« Sie leerte die Bierflasche und lehnte sich seufzend zurück.
Hans von Gluck kraulte Brünnhilde. »I würd ja schon für mein Leben gern amol vorbeischauen, was aus unserm oiden Ring g’worden is, aber – « Er spuckte aus, und seine Stimme wurde rauh, »eher loß i mich totschlagen, als daß i noch amol an Fuß über diese Schwelle setz.« Brünnhilde verkroch sich ängstlich unter ihren Ohren.
Der Direktor a. D. begann zu zittern. »Zwanzig Jahre lang hob i nur für dieses Haus g’lebt, hob die oide Schachtel mehrg’liebt ois mei eigene Mutter, und dann holen’s diesen Strizzi her, der denkt, er könnt mir Vorschriften machen. Kann an Hubzug net von am Einfahrtzug unterscheiden und will mir sagen, wie ma an technischen Apparat z’ leiten hat. An Kantinenintendanten hat er mich g’nannt, dieser Lackaff!«
Cora seufzte mitfühlend. »Elli hat mir die ganze Geschichte erzählt«, sagte sie. »Daß im Kulturbetrieb Inkompetenz nicht vor Karriere schützt, das ist mir ja nun schon länger klar. Aber warum man ausgerechnet diesen
Preuss immer wieder auf solche Posten hievt, auf denen er sich noch dümmer verdienen kann, als er ohnehin schon ist, das werde ich wohl nie begreifen. – Warts ab, in zwei Jahren hat er auch die Frankfurter Operzu Tode saniert, erklärt dann, daß seines Bleibens im Amte nicht länger sei und streicht dafür die nächste Abfindungs-Million ein.« Sie schüttelte den Kopf. »Dieser Mann ist das größte schwarze Loch, das das deutsche Subventions-Universum je hervorgebracht hat.«
Hans von Gluck tat so, als hätte die Dramaturgin nicht zu ihm, sondern zu den verstummten Waldvögeln gesprochen. Er suchte Brünnhildes Ohren nach Flöhen ab.
»Cora, warum bist du zu mir gekommen«, fragte er plötzlich mißtrauisch. »Du bist doch beidiesermörderischen Hitz nicht einfach so wegen am Schwatzhierrausgefahren. Sollst mich zurückholen?«
Die Dramaturgin schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Das ist es nicht. Natürlich würde ich mich wahnsinnig
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