Ringkampf: Roman (German Edition)
freuen, wenn du wieder mit uns zusammenarbeiten würdest. Aber ich weiß, daß jeder Versuch, dich umzustimmen, hoffnungslos wäre. Es sei denn, ich verspreche dir, Preuss kaltzumachen. – Trotzdem hast du recht«, gab sie nach einer abwartenden Pause zu. »Ich bin tatsächlich nicht einfach so hier. Ich wollte mit dir über den Opernbrand reden.«
Hans von Gluck blickte sie ehrlich verwundert an. »Wie kommst denn jetzt da drauf?«
Brünnhilde witterte Unheil.
Cora setzte ein unverfängliches Lächeln auf. »Elli hat mich wieder draufgebracht«, sagte sie. »Irgendwie hat
sich die Gute in die Idee verrannt, unser Ring sei verflucht. – Wir hatten da noch einige weitere Pannen in den letzten Wochen«, fügte sie erläuternd hinzu. »Natürlich ist das mit dem Fluch Quatsch, aber je länger ich über den Brand nachdenke, desto sicherer bin ich mir, daß wirnicht wissen, was damals wirklich passiert ist.«
Der Direktor a. D. lockte Brünnhilde wieder unter ihren Ohren hervor. »Wozu die oiden Leichen ausscharren«, murmelte er. »Das Gras über der G’schicht ist doch schon höherg’wachsen als das hier im Garten.«
Cora schob die feuchten Hemdsärmel hoch und kratzte sich am Ellbogen.
»Es gibt da etwas, worüber ich bisher noch mit keinem gesprochen habe«, begann sie zögernd. Sie fixierte die leere Bierflasche. »Otto – du erinnerst dich – unser alter Komparsen-Otto, ist damals jede Nacht in der Oper herumgegeistert. Als Wotan. Ich habe als einzige davon gewußt. Und ich habe ihnmachen lassen. Ich hätte meine Hand dafür ins Feuer gelegt, daß er der unschuldigste Irre an diesem ganzen Theater gewesen ist.« Sie dämpfte ihre Stimme. »Leider bin ich sicher, daß er auch in jener Nacht auf der Bühne war. – Meinst du, erkönnte es gewesen sein?«
Der Direktor a. D. guckte widerwillig erstaunt. »Ah, geh«, brummte er und winkte ab.
Cora funkelte ihn wütend an. »Hans, wenn du meine Geschichte mit Otto für Unsinn hältst, dann mußtdu die Geschichte vom Junkie mit den Zündhölzchen für noch viel größeren Unsinn halten. – Mit einem Hemd und einer Zeitung will der Kerl dieses Riesen-Feuer gelegt haben! Und rein zufällig hat er im Stockdunkeln vom Erdgeschoß zur Hauptbühne und wiederzurück gefunden!
Kein einziger der Brandmelder im Bühnenbereich hat funktioniert! Der Alarm kam von einem Gerät im Zuschauerraum – wo es nie gebrannt hat! Das ist doch alles komplett hanebüchen!«
Hans von Gluck räusperte sich gedehnt. »Jetzt amol langsam.«
Zurbesseren Konzentration legte erdie Handflächen aneinander. »Ganz so, wie du sagst, wars ja nicht. Erstens: Bei der Rekonstruktion von dem Tathergang hat sich herausgestellt, daß der Bursch das Feueram Orchestergraben gelegthat. Und derist, wie du ja selbst weißt, gleich im Erdgeschoß. Zweitens: Wenn er das Feueram Orchestergraben gelegt hat, kanns problemlos über die Holzverkleidungen zur Bühne hochgeklettert sein. Der Orchestergraben warübrigens einen Meterhochgefahren. Damuß dann nur noch a bißerl Funkenflug dazugekommen sein – was bei der Thermik nahezu sicherist –, und schon haben die Dekorationen gebrannt. Durch den erhöhten Druck haben sich die Rauchklappen im Bühnenturm geöffnet, und damit gabs an wunderbaren zweiunddreißig-Meter-Kamin. Drittens: Die Feuermelder im Bühnenbereich waren damals koa Ionisationsmelder wie im Zuschauerraum, sondern allesamt Wärmemelder. Es kann also sein, daß die Ruhestromleitungen in der Unterbühne schon abgelötet waren, bevor sich oben überhaupt an Hitzestau bilden konnte.«
»Kann sein! Kann sein«, brauste die Dramaturgin auf, nachdem sie dem technischen Vortrag angestrengt gelauscht hatte. »Hans! Du brauchst nicht den verdammten Pressesprecher der Feuerwehr zu spielen! – Ich war doch damals bei der Begehung dabei, wo du uns stolz erklärt hast, wie wenig der Bühnenboden und die Kulissen
am Brand beteiligt gewesen waren. Sogar Wotans elender Asbest-Feudel hat irgendwie überlebt! Und dann sollen es unsere Dekorationen gewesen sein, die als erstes Feuer gefangen haben?«
Hans von Gluck erhob sich mühsam. Brünnhilde rutschte von seinem Schoß.
»Wenn in Frankfurt an oider Kasten brennt, frag z’erst, auf was für am Grundstück er steht«, murmelte er. Er setzte die Hündin auf seinen Arm und hinkte zur offenen Tür.
Über dem schrägen Dach glühte die Sonne.
»Auf was für einem Grundstück steht die Oper«, rief Cora ihm hinterher.
Doch sie erhielt keine Antwort mehr.
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