Ringwelt 04: Brennans Legende
Vorbereitungen abgeschlossen. Jetzt sitzt er nur noch da, wartet und beobachtet und verfeinert hin und wieder das eine oder andere Detail seiner Vorbereitungen. Er hat eine ganze Reihe von Hobbys. Das Sonnensystem ist eines davon.
Manchmal nimmt er Proben. Ansonsten beschränkt er sich darauf, mit seinem eigenartigen, selbst konstruierten Teleskop die Lichter von Fusionsantrieben zu beobachten. Mit Hilfe hoch entwickelter Rauschfilter entziffert er Fragmente von Nachrichten und Unterhaltungssendungen. Der größte Teil dieser Fragmente stammt von der Erde. Der Belt kommuniziert via Laser, und diese sind nicht auf Brennan gerichtet.
Die Zivilisation gedeiht. Brennan wartet und beobachtet.
Aus einer Nachrichtensendung erfährt er vom Tod Estelle Randalls.
Das eröffnet eine interessante Möglichkeit. Bald darauf entdeckt Brennan das Licht eines Fusionsantriebs, der sich in Richtung der Persephone bewegt.
Roy wußte nicht genau, was ihn geweckt hatte. Er lag still im Hängemattennetz und fühlte die Vibrationen des Schiffes.
Der Antrieb wurde mehr gespürt als gehört. Nach zwei Tagen hatte er sich daran gewöhnt und ihn nur noch wahrgenommen, wenn er sich darauf konzentrierte. Der Antrieb hatte sich nicht verändert – glaubte Roy jedenfalls.
Alice lag neben ihm in der anderen Hängematte. Sie hatte die Augen geöffnet und den Mund nachdenklich zusammengepreßt.
Das machte ihm Angst. »Was ist los?« fragte er.
»Keine Ahnung. Komm, wir schlüpfen besser in die Druckanzüge.«
Er schnitt eine Grimasse. In die Anzüge »schlüpfen« – sie hatte ihn am ersten Tag sechs Stunden lang üben lassen, wie man in das verdammte Ding stieg und es wieder auszog. Es war ein transparenter, farbloser Plastikoverall mit menschlichen Umrissen, mit einem Reißverschluß, der vom Kinn bis zu den Knien reichte und sich im Schritt gabelte. Man konnte ihn in Sekundenschnelle anlegen, und es dauerte nur einen weiteren Augenblick, den dicken Luft- und Wasserschlauch an das Lebenserhaltungssystem des Schiffs anzuschließen, doch er verklemmte den Reißverschluß ein paarmal und wurde dafür mit Kraftausdrücken bedacht, die man von einem Sexualpartner beim besten Willen nicht erwartete, ganz gleich, was man zusammen durchgemacht hatte.
»Von jetzt an ziehst du nichts mehr an bis auf dein Suspensorium!« hatte sie ihm befohlen. »Und das läßt du Tag und Nacht an. Nichts, aber auch absolut gar nichts darf sich in diesem Reißverschluß verfangen!«
In den letzten paar Stunden hatte sie ihm den zusammengeknüllten Anzug von hinten zugeworfen, ein wirres Knäuel, das er zuerst auseinander schütteln und dann innerhalb von Sekunden anlegen mußte. Sie war erst zufrieden, als er die Technik blind beherrschte.
»Das ist das erste, was du tust«, hatte sie ihm erklärt. »Immer und ohne Ausnahme. Falls irgendetwas Unvorhergesehenes geschieht, steigst du augenblicklich in den Anzug.«
Er schnappte sich den Anzug, ohne hinzusehen, schlüpfte mit Händen und Füßen und Kopf hinein und zog den Reißverschluß beidhändig zu, bevor er den Versorgungsschlauch einstöpselte. Ein weiterer Augenblick, um den Tornister aus seiner Verankerung zu nehmen und umzuschnallen, den Versorgungsschlauch wieder aus der Wand zu ziehen und in das Ventil am Tornister zu stecken. Schale, geruchlose Luft füllte seinen Anzug. Alice war trotzdem noch schneller; sie war vor ihm und glitt bereits die Leiter hinauf.
Als er den Kopf durch die Luke schob, saß sie schon im Pilotensitz. »Nicht schlecht«, sagte sie, ohne sich nach ihm umzudrehen.
»Was ist passiert?«
»Der Antrieb arbeitet fehlerfrei. Wie beschleunigen mit exakt einem g und halten noch immer exakten Kurs auf Persephone.«
»In Ordnung.« Er entspannte sich wieder und bewegte sich zum zweiten Sitz, wobei er leicht stolperte.
Sie drehte sich zu ihm um. »Spürst du nichts?«
»Was denn?«
»Vielleicht bilde ich mir alles nur ein, aber ich fühle mich … leichter.«
Jetzt bemerkte er es auch. »Aber wir beschleunigen mit einem g!«
»Allerdings.«
Ein unheimlicher Verdacht beschlich ihn. »Überprüf bitte unseren Kurs.«
Sie bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick, doch dann nickte sie und machte sich an die Arbeit.
Er konnte ihr nicht helfen. Er hatte einen großen Teil des ersten Tages und den gesamten zweiten damit verbracht, Lernprogramme durchzuarbeiten, und er besaß nun ein ganz gutes Wissen, was Steuerung, Wartung und Reparatur eines Belterraumschiffs anging. Doch Alice
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