Ringwelt 07: Die Welt der Ptavvs
sein. Irgend jemand auf dem Mond mußte das doch gesehen haben.
War es möglich, daß der Beobachtungsposten zu diesem Zeitpunkt verlassen gewesen war?
Aber warum?
Garner riß ihn aus seinen Gedanken. »Vielleicht hat irgendetwas die Mutation in Gang gesetzt, das noch weit mächtiger ist als Kosmische Strahlung. Ein Meteoritensturm vielleicht.«
Kzanol/Greenberg schüttelte den Kopf. »Gibt es sonst noch irgendwelche Beweise für die Intelligenz der Bandersnatcher?«
»Aber ja doch. Greenberg, was wissen Sie über Jinx?«
»Eine Menge«, antwortete Kzanol/Greenberg. Larrys Wissen über Jinx war so gut wie das jedes Kolonisten, und beim Klang des Wortes ›Jinx‹ kamen die Erinnerungen an diese Welt ungebeten wieder hoch …
Mond der Binärwelt, dritter Planet von Sirius A. Die Binärwelt war ein oranger Riese, größer als Jupiter und viel wärmer. Jinx war sechsmal größer als die Erde, mit einer Schwerkraft von 1,78 und einer Rotationsgeschwindigkeit von vier Erdentagen. Von allen Faktoren, die Jinx gestaltet hatten, war der wichtigste das Fehlen radioaktiven Materials gewesen, denn Jinx besaß eine feste Lithosphäre, die fast bis zum Kern hinunterreichte, der aus Nickel und Eisen bestand.
Vor langer Zeit – selbst vor seiner, Kzanols Zeit – hatte sich Jinx viel näher an dem Gasriesen befunden, so nah sogar, daß die Gezeiten die Rotation des Planeten zum Stillstand gebracht hatten. Dank der Anziehungskraft des Riesen hatte die Welt die Form eines Eies angenommen. Später waren es eben diese Gezeiten gewesen, die den Mond nach außen gedrückt hatten. Das war nicht ungewöhnlich. Aber obwohl die Ozeane und die Atmosphäre inzwischen eine runde Form besaßen, war der Mond Jinx selbst eiförmig geblieben.
Jinx war ein kosmisches ›Osterei‹, und aus dem Weltraum vermochte man deutlich seine bunten Streifen zu erkennen, die auf den unterschiedlichen Oberflächendruck des Planeten zurückzuführen waren.
Der Ozean erstreckte sich wie ein breiter Ring über beide Pole, und das Wasser dieses Weltmeeres wies einen extrem hohen Salzgehalt auf. Jene Regionen, die die Kolonisten als ›die Enden‹ bezeichneten, markierten die Stellen, die von dem Gasriesen am weitesten entfernt waren, und sie lagen sechshundert Meilen ›über‹ dem Ozean: sechshundert Meilen weiter vom Massezentrum des Ozeans entfernt. Sie ragten aus der Atmosphäre heraus. Auf den Fotografien, die die erste Expedition per Nachrichtenmaser übertragen hatte, wirkten die Enden schneeweiß und schienen mit einem feinen Netz schwarzer Schatten überzogen zu sein. Weiter von den Enden entfernt verschwanden die Schatten in der Atmosphäre, und Wolken traten an ihre Stelle. Die Wolken wurden dicker und dicker, man sah die braun-graue Erde immer seltener, bis plötzlich die Wolken vollends die Herrschaft übernahmen. Der Ozean war auf ewig unter einer dichten Wolkenschicht von tausend Meilen Breite verborgen. Auf Meereshöhe war die Luft entsetzlich dicht, und die Temperatur betrug konstant hundertfünfzig Grad Celsius.
Die Kolonie mit Namen Sirius Mater befand sich auf dem östlichen Kontinent, dreitausend Meilen östlich des Ozeans, ein Dreieck kultivierten Landes und aufblasbarer Gebäude an der Gabelung zweier Flüsse. Die ersten Kolonisten hatten sich einen Landeplatz mit hohem Oberflächendruck ausgesucht, wohl wissend, daß die dichte Atmosphäre sie vor den extremen Temperaturschwankungen von Tag und Nacht schützte und vor dem mit UV-Strahlen gesättigten Licht des blau-weißen Sirius A. Inzwischen beherbergte Sirius Mater zweitausend Menschen aller Altersgruppen …
»Gut«, sagte Garner. »Dann muß ich Ihnen ja nichts erklären. Darf ich mal das Com benutzen, Lloyd?«
»Sicher.« Lloyd betätigte einen Knopf an der Wand.
Der Comschirm war außergewöhnlich groß; er bedeckte die halbe Wand. Luke gab eine dreizehnstellige Nummer ein, und nur einen Augenblick später erschien eine schlanke, junge Frau mit brünettem Haar auf dem Schirm.
»Technologiepolizei, Archiv.«
»Hier spricht Lucas Garner, Mitarbeiter im Außendienst. Hier ist mein Ausweis.« Er hielt eine Plastikkarte vor die Kamera. »Ich hätte gerne die Berichte über die Bandersnatcher aus dem Jahr 2106.«
»Jawohl, Sir.« Die Frau stand auf und verließ den Aufzeichnungsbereich der Kamera.
Kzanol/Greenberg beugte sich vor, um das Geschehen besser verfolgen zu können. Der letzte Bericht von Jinx war erst vor zwei Monaten eingetroffen, und das meiste davon hatte
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