Ringwelt 08: Der kälteste Ort
Rücken gegen den mächtigen Stamm gelehnt, mußten von jeder Entfernung aus unsichtbar sein.
Wir redeten wenig. Der Park war ruhig, abgesehen von gelegentlichem Gelächter vom Trinkbrunnen her.
Ich konnte meinen Durst nicht vergessen. Ich konnte fühlen, daß andere um mich auch durstig waren. Der Trinkbrunnen stand direkt vor uns im Freien, ein massiver Block aus Beton, umgeben von fünf Männern.
Sie trugen alle dieselbe Kleidung, Papiershorts mit aufgesetzten Taschen. Sie sahen alle gleich aus: wie durchtrainierte Athleten. Vielleicht gehörten sie demselben Klub, einer Studentenverbindung oder einer Wehrsportgruppe an.
Sie hatten den Trinkbrunnen besetzt.
Wenn jemand kam und einen Schluck Wasser haben wollte, trat der große Blonde vor und hielt ihm den ausgestreckten Arm entgegen, mit der Handfläche nach außen. Er hatte einen breiten Mund und ein Grinsen, das anderweitig hätte ansteckend sein können, und eine tiefe, hallende Stimme. Er rief: »Zurück! Keiner darf vorbei außer dem unsterblichen Cthulhu …«, oder etwas gleich Albernes.
Das Dumme war, sie machten nur Spaß. Oder besser: Sie machten Spaß, ließen aber trotzdem niemanden an den Brunnen.
Als wir die Szene betraten, hatte ein Mädchen, das nur mit einem Handtuch bekleidet war, soeben versucht, sie zur Vernunft zu bringen. Es war ihr nicht gelungen. Es mochte sogar ihre Egos noch aufgebläht haben: ein hübsches, halb nacktes Mädchen, das sie um Wasser anbettelte. Schließlich hatte sie es aufgegeben und war weggegangen.
In jenem Licht könnte ihr Haar rot gewesen sein. Ich hoffte, daß es das Mädchen mit dem Mantel war.
Und ein fleischiger Mann in einem gelben Geschäftsoverall hatte den Fehler gemacht, auf seinen Rechten zu bestehen. Es war keine gute Nacht für Rechte. Der blonde Typ hatte ihn so lange gereizt, bis er sich in wüsten Beschimpfungen erging und versuchte, den Burschen zu schlagen. Dann waren drei von ihnen auf ihn losgegangen. Der Mann war schließlich auf Händen und Füßen weggekrochen, wobei er etwas von Polizei und Gerichtsverfahren stöhnte.
Warum hatte niemand etwas unternommen?
Ich hatte alles von meiner sitzenden Position aus mit angesehen. Ich konnte meine eigenen Gründe aufzählen. Erstens: Es war schwer, sich vorzustellen, daß kein Monitor kommen und sie außer Gefecht setzen würde. Zweitens: Ich mochte den kreischenden fetten Mann nicht besonders. Er gebrauchte schmutzige Ausdrücke. Drittens: Ich hatte darauf gewartet, daß jemand anders eingreifen würde.
Mrs. Hawthorne sagte: »Ronald, wie spät ist es?«
Ron war womöglich der einzige Mensch im King’s-Freipark, der die genaue Uhrzeit wußte. Gewöhnlich ließen die Leute ihre Wertsachen in Schließfächern am Eingang zurück. Aber vor Jahren, als Ron durch den Verkauf der gravierten Bierflaschen gerade gut bei Kasse war, hatte er sich eine Implantat-Uhr gekauft. Er konnte die Uhrzeit an einer roten Markierung und zwei roten Linien ablesen, die unter der Haut seines Handgelenks aufleuchteten. Wir hatten die Frauen in die Mitte genommen, aber ich sah die Bewegung, als er auf sein Handgelenk blickte. »23 Uhr 45.«
»Ob sie sich nicht mit der Zeit langweilen und von selber weggehen? Es ist zwanzig Minuten her, seit jemand versucht hat, etwas zu trinken zu bekommen.«
Jill wechselte ihre Haltung in der Dunkelheit. »Sie können sich nicht mehr langweilen als wir. Ich glaube, sie werden trotz ihrer Langeweile aushalten. Außerdem …« Sie stockte.
»Außerdem haben wir jetzt Durst«, führte ich ihren Satz fort.
»Richtig.«
»Ron, hast du irgendeine Spur von den Steinewerfern von heute Mittag gesehen? Insbesondere von dem, der den Monitor heruntergeholt hat?«
»Nein.«
Das überraschte mich nicht. In dieser Dunkelheit? »Erinnerst du dich an seinen …«, und ich führte den Satz nicht einmal zu Ende.
»… ja!« sagte Ron plötzlich.
»Du spinnst.«
»Nein. Sie nannten ihn Glubschauge. Einen solchen Namen vergißt man nicht.«
»Ich nehme an, er hatte hervortretende Augen.«
»Darauf habe ich nicht geachtet.«
Nun, es war einen Versuch wert. Ich stand auf, hielt die Hände zu einem Sprachrohr an den Mund und rief: »Glubschauge!«
Einer von den Wassermännern rief: »Mach nicht so ’nen Krach da draußen!«
»Glubschauge!«
Ein Chor von Kommentaren von den Wassermännern: »Seltsame Gewohnheiten, die diese Bauern …«
»Die meisten von ihnen sind bloß durstig. Dieser Typ …«
Einer rief: »Was willst du?«
»Wir
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