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Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Titel: Ringwelt 08: Der kälteste Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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sagen würde, wer für den Ausfall der Monitore verantwortlich war.
    Ich hielt die Wiese für einen guten Platz, die Nacht zu verbringen. Sie war offen, ohne Deckung und ohne Schatten, so daß niemand sich heimlich anschleichen konnte.
    Und ich lernte langsam, wie ein echter Paranoiker zu denken.
    Wir lagen im nassen Gras und dösten vor uns hin oder redeten miteinander. Zwei andere Gruppen, nicht größer als die unsrige, lagerten auf dem Turnierplatz.
    Sie hielten Abstand von uns und wir von ihnen. Ab und zu hörten wir Stimmen, dann wußten wir, daß sie nicht schliefen, oder zumindest nicht alle.
    Der Mann mit dem Schild fand keine Ruhe. Seine Rippen bereiteten ihm Schmerzen, obwohl Jill sagte, daß keine von ihnen gebrochen sei. Wiederholt wimmerte er und versuchte seine Stellung zu verändern und wachte dadurch auf. Dann mußte er regungslos liegen bleiben, bis er wieder einschlief.
    »Geld«, sagte Jill. »Man braucht eine Regierung, um Geld zu drucken.«
    »Aber man könnte Schuldscheine drucken lassen. Zu einem vereinbarten Nennwert, gegen Bezahlung gedruckt und notariell beglaubigt. Gegengezeichnet mit deinem guten Namen.«
    Jill lachte leise. »Du hast an alles gedacht, nicht wahr? Du könntest auf diese Art aber keine weiten Reisen machen.«
    »Dann eben Kreditkarten.«
    Ich hatte aufgehört, an Rons Anarchie zu glauben.
    Ich warf ein: »Ron, erinnerst du dich an das Mädchen mit dem langen blauen Mantel?«
    Ein kleines Loch des Schweigens. »Ja?«
    »Sie war doch hübsch, oder? Sie war doch nett anzusehen.«
    »Doch, sicher.«
    »Wenn es keine Gesetze gäbe, die dich davon abhalten, sie zu vergewaltigen, würde sie bis über die Ohren vermummt gehen und einen Tränengasstift tragen. Wäre das noch ein schöner Anblick? Ich mag den hüllenlosen Look. Sieh nur, wie schnell er verschwunden ist, nachdem die Monitore nicht mehr da waren.«
    »Hm-m«, sagte Ron.
    Die Nacht wurde langsam kühl. Leise Stimmen, gelegentliche ferne Schreie kamen wie dünne graue Fäden in einem schwarzen Vorhang des Schweigens. Mrs. Hawthorne brach das Schweigen:
    »Was hat dieser Junge wirklich gesagt mit seinem weißen Schild?«
    »Er hat überhaupt nichts gesagt«, meinte Jill.
    »Nicht so voreilig, meine Liebe. Ich glaube, er hat schon etwas gesagt, auch wenn er es selbst nicht wußte.« Mrs. Hawthorne sprach langsam, benutzte die Worte, um ihre Gedanken zu formulieren. »Es gab einmal eine Organisation, die gegen das Gesetz zur zwangsweisen Empfängnisverhütung protestierte. Ich gehörte dazu. Wir liefen stundenlang mit Transparenten herum. Wir druckten Flugblätter. Wir hielten Passanten an, um mit ihnen zu reden. Wir opferten unsere Zeit und unser Geld, wir nahmen eine Menge auf uns, weil wir den Leuten unsere Ideen vermitteln wollten.
    Wenn sich jetzt ein Mann mit einem leeren Schild zu uns gestellt hätte, dann hätte er etwas gesagt. Sein Schild sagt, daß er keine Meinung hat. Indem er sich unter uns mischt, sagt er, daß wir auch keine Meinung haben. Er sagt, daß unsere Meinungen nichts wert sind.«
    Ich erwiderte: »Erzählen Sie ihm das, wenn er aufwacht. Er kann es in sein Notizbuch schreiben.«
    »Aber sein Notizbuch geht von falschen Annahmen aus. Er würde sein leeres Schild nicht zwischen Leuten aufstellen, mit denen er übereinstimmt, oder?«
    »Ich … schätze, ich mag einfach keine Leute, die keine Meinung haben.«
    Mrs. Hawthorne stand auf. Sie hatte seit ein paar Stunden im Schneidersitz gesessen. »Weiß jemand, ob es hier einen Getränkeautomaten gibt?«
    Es gab natürlich keinen.
    Kein privates Unternehmen würde das Risiko eingehen, daß seine Maschinen ein- bis zweimal am Tag eingeschlagen würden. Aber Mrs. Hawthorne hatte uns andere daran erinnert, daß wir durstig waren. Schließlich machten wir uns alle auf und marschierten in Richtung des Trinkbrunnens.
    Alle bis auf den Mann mit dem Schild.
    Mir hatte die Idee mit dem leeren Schild gefallen. Wie seltsam, wie bedenklich, daß ein so grundlegendes Recht wie die Redefreiheit von einem so kleinen Ding wie einem schwebenden Monitor abhängen konnte.
    Ich hatte Durst.
    Der Park war hell erleuchtet von den Lichtern der Stadt, die scharfkantige Schatten warfen. In einem solchen Licht entsteht der Eindruck, man könne mehr sehen, als es wirklich der Fall ist. Ich konnte in jeden Schatten blicken; aber obwohl ringsum Unruhe herrschte, konnte ich niemanden sehen, bis er sich tatsächlich bewegte. Wir vier, die wir unter einer Eiche saßen, mit dem

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