Ringwelt 10: Hüter der Ringwelt

zugleich ein Rätsel darstellte, um seinen neuen, erweiterten Verstand zu erproben und zu trainieren.
    Bei den Bäumen handelte es sich um Obstbäume. An den Kanten wuchsen niedrigere Pflanzen. Das Leben auf der Ringwelt war das Leben von Pak, und alles hier war essbar. Tief grub sich Proserpinas Hand in das dunkle Erdreich. Sie zog eine gelbe Wurzel hervor, aß davon und gab Hanuman eine weitere dieser Wurzeln.
    Dann fragte sie: »Wo ist Tonschmied?«
    »Ich kann ihn nicht erreichen.« Der Druckanzug, den Proserpina für ihn in aller Eile hergerichtet hatte, war nur sehr unvollkommen. Er passte nicht recht, und er besaß auch kein Kommunikations-Link zu Tonschmied. »Er wird uns finden«, meinte Hanuman nur.
    »Mehr als eine Million Falans habe ich auf einer einzelnen Karte festgesessen«, erklärte sie. »Als meine Pak-Geschwister sich nicht mehr um die Landschaft der Ringwelt gekümmert haben, da habe ich weiterhin im Reparaturzentrum nach Protektoren gesucht. Das Reparaturzentrum blieb weiterhin aktiv, und ich blieb weiterhin passiv. Ich bin die letzte Verteidigerin. Eines Tages wird man mich brauchen. Selbst jetzt mag dieser Tag noch nicht gekommen sein, aber wir werden weitersehen müssen. Ich sollte alles hier erkunden. Wohin kannst du mich bringen?«
    »Du bist an den zahlreichen Fremdschiffen interessiert, die sich in immer größerer Zahl in der Nähe unserer Sonne versammeln, nicht wahr?«
    »Ja.«
    Hanuman veränderte einige der Einstellungen. »Komm!«
     
    Sie befanden sich in einem riesigen, dunklen, ellipsenförmigen Raum.
    An den Wänden, am Fußboden und an der Decke glomm nacktes Sternenlicht, sogar noch verstärkt in seiner Leuchtkraft. Die Raumschiffe waren schwerer zu erkennen. Tonschmied hatte die Schiffe, die er hatte entdecken können, mit leuchtenden Kreisen markiert; andere hatte er gewiss übersehen. Tausende von Schiffen. Hunderttausende winziger blinkender Punkte: Sonden.
    Nur Proserpinas Kopf bewegte sich.
    Am Ende dreier langer Ausleger befanden sich Sessel, an denen große Tastfelder befestigt waren. Alle drei waren leer. Hanuman fragte: »Möchtest du …?«
    »Pssst!«, sagte sie nur und ließ den Anblick weiter auf sich wirken. Stepperscheiben: Eine war erkennbar. Die, auf der sie gerade stand, konnte sie nicht sehen. Waffen und Kameras: Nichts dergleichen nahm sie wahr. Diese Projektion der Sterne mochte alles Mögliche verbergen.
    Falls Tonschmied sie angriffe, würde das unweigerlich von oben herab geschehen, und auch Hanuman würde sich dann auf sie stürzen. Proserpina war bereit – doch das war nur die Perspektive des Instinkts. Faktisch sah es etwas anders aus: Wenn Tonschmied sie würde töten wollen, dann konnte er das ohne Zweifel auch. »Weißt du etwas über diese Schiffe?«, fragte sie.
    »Über einige davon.« Hanuman deutete auf vereinzelte Schiffe: Puppenspieler, Trinoc, Outsider, Kzinti, ARM, Sheathclaws.
    »Einige davon sind nur als Beobachter hier«, sagte nun Proserpina. »Andere bereiten sich auf Kampfhandlungen vor. Die ARM würde dieses Gefecht gewinnen, wenn sie dort und hier angriffen …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende. »Und Wrackteile von diesem oder diesem Schiff hier könnten die Ringwelt treffen. Dieser lange Schweif, in den dieses Schiff ausläuft, enthält Antimaterie, nicht wahr? Hat Tonschmied schon in Erwägung gezogen, diese ganzen Flotten hier zu zerstören?«
    »Tonschmied zieht immer alles in Erwägung.«
    »Aber ich weiß nicht, über welche Mittel er verfügt. Er muss doch mit irgendetwas beschäftigt sein! Mit irgendetwas anderem, nicht nur mit seiner Meteoriten-Abwehr. Ich kann überhaupt nichts sagen, solange ich nicht weiß, womit wir kämpfen können. Oder flüchten.«
    »Flüchten?«, fragte Hanuman nach.
    »Ich spekuliere nur.« Proserpina ging an der geschwungenen Wand entlang. Unter einer gleißenden Lichtquelle lagen die Knochen eines uralten Protektors, die zusammen mit einigen seiner Werkzeuge regelrecht ausgestellt waren. Die Gelenke waren zu dicken Knoten angeschwollen. Die Rückenwirbel waren miteinander verschmolzen.
    »Es treten bereits die ersten Mutationen auf«, stellte sie fest. »Wusstest du, dass wir Mutanten immer getötet haben? Macht ihr das immer noch so?«
    »Natürlich – wenn sie falsch riechen oder das falsche Verhalten an den Tag legen.«
    »Der hier muss sehr gut bei dem gewesen sein, was er gemacht hat. Schau dir an, in welchem Zustand seine Knochen sind: Die sind vom reinen Alter so vernarbt! Der