Ringwelt 10: Hüter der Ringwelt
konnte gerade erkennen, dass er nackt war, auf dem Rücken lag, unfähig sich zu bewegen, wie auf einer Streckbank … oder in der Intensivpflegekammer eines Militär-Autodocs. Die Hintergrundgeräusche ließen vermuten, dass er sich wirklich an Bord eines Kriegsraumers befand. Er lauschte den Stimmen, versuchte zu verstehen, was sie sagten.
Männlicher Offizier: »… Brüder?«
»Gewählte Brüder. Sind schneller gewachsen als ich … sind bei ihresgleichen geblieben, um Frauen zu finden.«
»… viele verschiedene Menschenarten gesehen?«
Wembleth: »Zwanzig, dreißig Spezies … habe mit denen geresht.«
Louis glaubte langsam erahnen zu können, was geschehen war.
Ein Schiff unterhalb der Ringwelt hatte Antimaterie-Geschosse auf den Boden der Ringwelt abgefeuert. Schließlich brauchte man dann nicht erst nach einem bereits existierenden Augensturm zu suchen. Der erste Schuss hatte die aufgeschäumte Meteor-Isolation aus Scrith zerstört. Der nächste hatte dann ein Loch in den Scrith-Boden und die darüber liegende Landschaft gerissen, das groß genug war, um einen kleinen Truppentransporter hindurchzulassen.
Das war verrückt, widerlich, einfach und direkt. Er hätte es sich denken müssen, anstatt damit zu rechnen, dass irgendwelche langfristigen Reisepläne geschmiedet würden.
Wembleth: »Man kommt nirgendwo hin, wenn man nicht weiß … Reshtra … sollte man nicht zu raten versuchen …«
Roxannys Stimme. »Krieg? Habt ihr jemals gegen … gekämpft?«
»Habe gesehen, wie Fleischfresser gegen Pflanzenfresser gekämpft haben …ten mich auch gegessen. Meint ihr so was?«
»Uhk.«
Hmmm? Den Kopf zur Seite zu drehen war nicht einfach: Louis wurde von einem ganzen Nest aus Schläuchen und dergleichen festgehalten, und unterhalb seines Halses hatte er überhaupt kein Gefühl mehr. Doch da war Hanuman, in einem Käfig, der groß genug war, um sogar einen Kzin aufzunehmen. Dann versperrte irgendetwas Louis die Sicht.
Roxanny Gauthier stand hinter einem stämmigen Mann, vielleicht einem Jinxianer; beide trugen sie weit geschnittene Overalls, auf denen die Insignien der ARM zu erkennen waren. Der Mann beugte sich über Louis und schaute ihn abschätzend an. »Du musst Luis Tamasan sein«, sagte er dann.
»Jepp«, antwortete Louis Wu.
»Du hast einen meiner Leute angegriffen.«
Und jetzt darf ich das ausbaden. »Tut mir leid.«
»Ich bin ’Tec-Major Schmidt. Du bist ein Zivilgefangener. Damit stehen dir bestimmte Rechte zu, aber du bist verfutzt noch mal nicht in der Lage, die auch einzufordern! Diese Stunner wirken nur auf hinreichend große Entfernung betäubend, aber du hast unmittelbar vor ’Tec-1 Gauthier gestanden. Von der Hüfte bis zu dem Knie sind deine Knochen völlig zertrümmert. Der ’Doc kann dich heilen, wenn du dich eine Zeit lang nicht bewegst. Fünf Tage.«
»Tanj.« Nein, lieber nett sein … »Ich danke Ihnen, Sir. Ich nehme an, ohne Ihre Hilfe wäre ich jetzt für den Rest meines Lebens verkrüppelt.«
Der Offizier grinste ihn an. »Oh ja! So, kann ich deine Arme jetzt losbinden? Dann kannst du nämlich essen. Sonst bleibst du an den Schläuchen.«
»Ich werde nicht versuchen, mich loszureißen«, erklärte Louis.
»Du würdest dir selbst ganz schön schaden, wenn du das versuchen würdest. Stet.« Das Kitzeln in seinem Nacken wanderte sein Rückgrat entlang hinab – das Gefühl kehrte in seine Arme zurück, der rechte war sehr empfindlich; er war grün und blau, vom Ellbogen bis zu den Fingerspitzen – und dann weiter, bis … »Aiii!«, und dann wieder ein Stück weit zurück. Louis spürte immer noch die Prellungen an den Rippen, aber nicht mehr diese entsetzlichen Schmerzen, die von seinem zertrümmerten linken Hüftknochen ausgegangen waren.
Aus dem Augenwinkel sah Louis, dass Schmidts Hand die Video-Steuerung bediente: Die Talkshow verschwand, stattdessen entstand die Ringwelt; sie nahm die Decke und sämtliche der rechteckigen Wände ein. »Woher kommst du?«, fragte Schmidt dann.
»Lassen Sie es rotieren! Mehr! Stet. Sir, das ist der Große Ozean. Schauen Sie jetzt die spinwärts gelegene Kante entlang …« Louis begann, ihm das Dorf der Weber zu beschreiben, in dem er im vergangenen Jahr gelebt hatte. Leute, Häuser, den Fluss, die Fischer, die zu Besuch gekommen waren, die Web-Augen-Kamera, die der Hinterste (›Chiron‹) auf eine Felswand gesprüht hatte. Die ARMs hatten keine Möglichkeit, das nachzuprüfen. Und wenn sie es könnten, dann würden die
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