Ringwelt 10: Hüter der Ringwelt
den Schüttbergen zu tun. Louis oder Luis, ich bin wirklich eine der Ersten. Ich habe Versprechen gebrochen, bevor die Arbeit beendet war, deswegen wurde sie letztendlich ohne mich beendet, aber ich glaube, ich bin die Letzte, die von den Baumeistern noch übrig ist. Hättest du gerne deine Beine zurück?«
Was meinte sie damit? Sie beugte sich über ihn und griff hinter Louis’ Hinterkopf. Schmerz durchzuckte ihn.
»Kannst du das ertragen? Es ist besser, wenn du fühlst, was passiert.«
»Das ist ziemlich heftig«, keuchte er.
»Ich werde den Input halbieren …« Der Schmerz nahm ab. »… und dein biochemisches Gleichgewicht ein wenig verändern.« Der Schmerz wurde diffuser. »So. Möchtest du ausprobieren, ob du Wasser lassen und Stuhlgang haben kannst? Dieses Doc-System ist darauf ausgelegt.«
»Allein, bitte.«
»Stet.« Sie wandte sich ab. »Und dann kannst du mir von den Völkern der Ringwelt erzählen. Mit welchen hattest du schon zu tun? Wie sind sie so? Ich habe ein Recht, das zu erfahren. Unsere Kinder waren schließlich deren Vorfahren.«
Louis zog ernstlich in Erwägung, das Schweigen zu bewahren. Aber das entsprach nicht seiner Natur. Vor einem Protektor konnte er sowieso nichts geheim halten. Er fragte sich auch, ob Proserpina den ’Doc vielleicht so eingestellt hatte, dass ihm jetzt wieder ARM-Wahrheitsseren eingeflößt wurden.
Aber das Nest der Vampire war nicht etwas, das hätte geheim gehalten werden müssen. Das war eine verfutzt gute Geschichte! Brüter – die Hominiden der Ringwelt – hatten sich in einer ökologischen Nische ausgebreitet, die ansonsten von Vampirfledermäusen ausgefüllt wurde. Louis Wu hatte sich am Klima eines Gebietes zu schaffen gemacht, das so groß war wie eine ganze Welt. Seine Absichten waren auch löblich gewesen – er hatte einigen gefährlichen Pflanzen die Lebensgrundlage entzogen –, doch im Laufe der nächsten Jahre hatten sich Vampire unter der ewigen Wolkendecke angesiedelt, die Louis Wu erschaffen hatte, und von dort aus ein schwebendes Industriegelände unter ihre Kontrolle gebracht.
Das war weit, weit entfernt von dem Ort entlang des Ringwelt-Bogens geschehen, an dem Louis bei einem Webervolk gelebt hatte. Er hatte alles durch eine der Web-Augen-Kameras des Hintersten mit angesehen. Genau das beschrieb Louis jetzt Proserpina, und dann das Dorf der Weber, und das brachte ihn immer und immer weiter in der Zeit zurück. Die schwebenden Gebäude versammelten sich, wurden zu einer Stadt, und auf der Schattenfarm, die darunter lag, wuchsen hunderte verschiedener Pilzarten. Die Ringwelt war von ihrem normalen Kurs abgekommen, drohte die Sonne zu streifen. Immer weiter wanderte Louis zurück, bis er Proserpina erzählte, wie er überhaupt auf die Ringwelt gekommen war – angelockt von der Aussicht auf eine Expedition, in der er etwas erkunden sollte, was sonderbarer war als alle Welten, die er bisher kennen gelernt hatte.
Proserpina wusste, wann sie Fragen stellen musste, wann sie zu schweigen hatte, wann sie eine Pause machen und ihn mit Obst füttern musste. »Hier, diese Maschine erzeugt ebenfalls Flüssignahrung. Möchtest du das vielleicht probieren?«
Er probierte. Es war die Standard-Flüssignahrung, mit der verletzte Soldaten ernährt wurden. »Nicht schlecht.«
»Du isst doch auch Fleisch, nicht wahr? Wenn es frisch ist? Ich gehe morgen mal ein paar Proben für dich jagen. Ich bin wohl eher ein Aasfresser als du, glaube ich. Wie bist du zu den Sternen zurückgekehrt? Durch einen Augensturm hindurch?«
»So ähnlich.«
Er erwähnte Halrloprillalar, die Städtebauerin, die behauptet hatte, ihr Volk hätte die Ringwelt errichtet. »Sie hatte nur damit scherzen wollen, aber sie hatte es genau verkehrt herum erzählt. Sie und ihr Volk hätten die Ringwelt beinahe vernichtet!«
»Wie das?«
»Sie haben die Korrekturtriebwerke am Randwall demontiert und in ihr Raumschiff eingebaut. Proserpina, warum hast du das zugelassen?«
Das Gesicht absolut ausdruckslos. »Wir haben dafür gesorgt, dass sich die Korrekturtriebwerke leicht ausbauen lassen, damit man sie leichter würde ersetzen können. Wir hatten erwartet, dass sie sich mit der Zeit abnutzen. Ist das alles im Rahmen dieses Randzonenkriegs geschehen?«
»Nein. Vorher.«
»Wir werden später darüber sprechen. Wann hat dieser Randzonenkrieg begonnen?«
»Tanj, das weiß ich doch nicht! Vielleicht sind die ersten Schiffe schon vor dem Hintersten hier eingetroffen, vor hunderten
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