Ringwelt 10: Hüter der Ringwelt

Aber sie haben sich gegen mich aufgelehnt, und ich musste sie töten, Luis – und als ich es dann erneut versucht habe, hat es nicht funktioniert. Meine Pflanzen waren wieder unwirksam geworden. Ich weiß nicht, woher das kommt, und das Virus war auch nicht mehr in der Luft. Heute Abend habt ihr Lebensbaum gegessen.«
    Erschrocken keuchte Roxanny auf. Auch Louis musste schlucken. Er sagte: »Hat geschmeckt wie Jamswurzel. Ich denke sogar, dass es wirklich eine Jamswurzel ist, Roxanny. Proserpina, wann ist das geschehen?«
    »Etwas mehr als eine Million Falans nach der Schöpfung. Du weißt doch, was passiert ist, nicht wahr, Luis? Sag’s mir!«
    Louis schüttelte den Kopf. »Die Protektoren sind fort. Das ist alles, was wir wissen.«
    Proserpina entgegnete: »Jetzt verstehe ich. Die Differenzierung der einzelnen Spezies war innerhalb der letzten zwei Millionen Falans wirklich extrem. Ich kann beurteilen, wie weit deine Spezies sich verändert hat, Roxanny – unter Bedingungen, in denen Intelligenz begünstigt ist, Haarlosigkeit, die Fähigkeit zu schwimmen und der aufrechte Gang. Mit meinen Teleskopen kann ich die Schüttberge beobachten. Ich habe sie aufgesucht, als ich glaubte, das tun zu dürfen – als ich sicher war, der letzte Protektor dieser Länder hier zu sein.
    Das Schüttbergvolk spaltet sich in völlig inkompatible Spezies auf – unter nahezu identischen Bedingungen. Ich habe das Heliografen-Kommunikationsnetzwerk angezapft, das vom Nachtvolk gebaut wurde. Sie essen die Toten, nicht wahr? Und dabei sind sie so intelligent – und das als Brüter! Lange Zeit hat ein halbintelligenter Protektor über das Reparaturzentrum geherrscht. Ich kann nicht einmal erahnen, wie viele andere Variationen es dort draußen geben mag!«
    »Tausende«, gab Roxanny zurück.
    »Aber auf der Karte der Erde gibt es keinen Ort, an dem sich Mutationen ansiedeln könnten und miteinander in Wettstreit treten und einander bis zur Unkenntlichkeit umgestalten. Meine Diener haben meine Brüter bei den Pak auf der Karte der Erde angesiedelt. Dort kann meine Blutlinie gedeihen. Luis, was verbirgst du vor mir?«
    »Es tut mir leid.«
    Drohend beugte sie sich über ihn, klein und gefährlich. »Rede mit mir!«
    In seinem Autodoc zur Bewegungslosigkeit verurteilt, sagte Louis nur: »Ich habe einen Freund auf der Karte der Erde. Ich möchte, dass er in Sicherheit ist.«
    »Tonschmied würde niemals zulassen, dass ein anderer Protektor sich der Karte der Erde nähert. Selbst ich habe nicht etwa überlebt, weil ich den dortigen Protektor herausgefordert hätte. Was verbirgst du vor mir?«
    Roxanny ergriff das Wort. »Es gibt Kzinti auf der Karte der Erde. Das hat er mir gesagt. Sein Freund Akolyth stammt von dort.«
    »Archaische Kzinti«, erklärte Louis. »Nicht so wie die Armeen, die am Randzonenkrieg beteiligt sind. Sie sind über den Großen Ozean gesegelt und haben eine Kolonie auf der Karte der Erde gegründet – vor nicht allzu langer Zeit.«
    »Während ich in meiner Depression festgesteckt habe«, meinte Proserpina. »Ich habe dem dortigen Protektor viel zu viel überlassen. Stet. Ich werde über die Kzinti recherchieren, die archaischen ebenso wie die modernen. Vielleicht kann ich mit denen einen Pakt schließen. Aber ich muss mich dem örtlichen Protektor stellen.
    Heute Nacht muss ich losziehen. Ich muss mich mit Tonschmied auseinander setzen, auf die eine oder andere Art. Vielleicht werde ich mehrere Tage fort sein. ’Tec Gauthier, du musst dich um Luis kümmern! Luis, soll ich dafür sorgen, dass du wieder Gefühl in deinen Gliedmaßen hast?«
    »Versuch’s!«
    Als der Schmerz ihn erfasste, fragte Louis sich, ob Proserpina sich an dem Überbringer schlechter Nachrichten rächen wollte. Doch es war nur noch ein dumpfer Schmerz, obwohl er von der Hüfte bis zu den Fersen reichte.
    »Beweg dich ein wenig hin und her, wenn dir danach ist, aber sei vorsichtig! Entferne nichts an diesem Gerät!« Proserpina streichelte dem Schwingkletterer über den Kopf. »Kleiner Hanuman, möchtest du mitkommen?«
    Hanuman dachte nach, dann sprang er ihr auf den Arm. Sie schaute Roxanny und Louis an. »Ein Verbot muss ich aussprechen: Alles, was ihr erreichen könnt, steht euch offen, abgesehen von dem großen Gebäude spinwärts steuerbord, und der Kontinent, der antispinwärts am nächsten ist. Ich bin mir sicher, dass es in dem großen Gebäude vor Fallen nur so wimmelt. Ich habe selbst nicht gewagt, es zu betreten. Auf dem kleinen